Die Philosophie der Kampfkünste – die Hintergründe


Die Philosophie der Kampfkünste
Die Philosophie der Kampfkünste

Viele Kampfkünste verfügen über ihre eigene Philosophie und prägen die Geisteshaltung der Ausübenden, bewusst und unbewusst. Dabei ist und bleibt das wichtigste Lernen, das Lernen und erkennen aus eigener Erfahrung.

Die Philosophie der asiatischen Kampfkünste entwickelte sich aus dem Kriegshandwerk im Verbund mit Buddhismus, Taoismus und Konfuzianismus. Das ist durch den Übergang vom Bujutsu zum Bushido gut zu erkennen. Der geistige Weg (DO), die persönliche, charakterliche Entwicklung trat in den Vordergrund.

Wir gehen der Philosophie unterschiedlicher Kampfkünste nach und sehen uns den Reifeprozess und die Motivationen des Kampfkünstlers genauer an.

Vom Kriegshandwerk zur Kampfkunst

Die Fähigkeit zu kämpfen, sich zu verteidigen und erfolgreich anzugreifen, zu erobern und zu unterwerfen, ist grundsätzlich ein Handwerk. Ein blutiges Handwerk, das Handwerk des Soldaten und Kriegers, aber etwas, das man unter der entsprechenden Anleitung erlernen kann.

Individuelle Fähigkeiten, Motivationen und Prägungen entscheiden dann darüber, wie gut der einzelne dann tatsächlich wird. Manche Menschen sind zum Kämpfer geboren, andere werden es und manche werden es niemals sein, weil ihr Naturell dem entgegensteht.

Das ist nun mal so und stellt in keiner Weise eine moralische Wertung dar.

Das Kriegshandwerk, bzw. Kämpfen zu lernen, ist für sich an keinerlei Moral und Philosophie gebunden.

Genauso wenig wie die Ausübung irgendeines anderen Handwerks. Während das beim Handwerk in aller Regel nicht erforderlich ist. Der nicht an moralische Grundsätze gebundene Zimmerer wird potenziell weniger Schaden anrichten, als Rambo, wenn er von der Leine gelassen wird.

Wir kennen alle aus der älteren und neueren Geschichte, welches Gewaltpotential sich entfalten kann, wenn keine starke Führung und ein strenger moralischer Kodex für ein gewisses Maß an Zivilisation, auch unter schlimmsten Bedingungen sorgt.

Aus diesen Gründen ist es nur logisch, dass sich im Laufe der Geschichte moralisch, ethische Grundsätze in einer Philosophie der Kampfkünste prägten und verfestigten. Allein schon aus der Notwendigkeit, das Gewaltpotential unter Kontrolle zu halten.

Philosophien und Religionen in den asiatischen Kampfkünsten

Der Buddhismus

Der aus Indien stammende Buddhismus hat die asiatischen Kampfkünste stark beeinflusst. Bodhidharma, ein buddhistischer Mönch, gilt als Begründer und erster Abt des Shaolin Klosters in der Provinz Henan, in China.

Im Shaolin Kloster wurden die weltberühmten chinesischen Kampfmönche ausgebildet und es gilt bis heute, als der Ursprung vieler asiatischer Kampfkünste.

Hartes körperliches Training und Meditation prägten über Jahrhunderte das Leben dieser Mönche.

Im Shaolin Kloster wird der Chan oder auch Zen Buddhismus praktiziert. Er stellt den moralischen Rahmen dar, auf dem bis heute viele Kampfkünste ruhen. Werte wie Respekt, Achtung vor allem Leben, Hingabe, Konzentration, Beharrlichkeit, Selbstbeobachtung und stetige Selbstverbesserung, sowie der Grundsatz nur zur Selbstverteidigung zu kämpfen, machen seine Philosophie aus.

Der Buddhismus hat japanische, koreanische, chinesische Kampfkünste entscheidend beeinflusst.

Das Prinzip des „DO“, der Weglehre, die Kampfkunst zu einer geistigen Disziplin macht, in der es um stetige Selbstverbesserung geht, ist schon in der Namensgebung dieser Kampfkünste zu erkennen.

Einige Beispiele – Die Weglehre in den Kampfkünsten:

  • Karate Do
  • Judo
  • Hapkido
  • Jaido
  • Jodo
  • Budo
  • Taekwondo

Vom Bujutsu zum Bushido

Der japanische Begriff Bujutsu bezeichnet das Kriegshandwerk, die Kunst des Kämpfens. Bushi, die Wortwurzel, bezeichnet den Krieger. Reine kämpferische Effektivität steht hier im Vordergrund. Es geht darum, den Gegner zu besiegen und selbst am Leben zu bleiben.

Das Bujutsu entwickelte sich im Laufe der Zeit, stark vom Zen beeinflusst, zum Bushido, dem Ehrenkodex der Samurai. Samurai waren die japanischen Ritter und das Bushido stellt ihren Ehrenkodex, den des Kriegers dar. In einer Zeit als Rapmusik noch völlig unbekannt war. 😉 Ein moralisches Grundgerüst, bestimmend fürs Leben und Verhalten, entwickelte sich.

Bushido – der Weg des Kriegers beinhaltet sieben Tugenden:

  1. Ehre
  2. Loyalität
  3. Mut
  4. Wohlgesonnenheit
  5. Gerechtigkeit
  6. Wahrheitsliebe
  7. Höflichkeit

Konfuzianismus

Der Konfuzianismus ist zur gleichen Zeit Religion, Philosophie und Wissenschaft.

Er ist stark von „humanistischen“ Werten geprägt. Das Ziel ist die moralisch-ethischer Vervollkommnung, um in Harmonie mit Mitmenschen und Gesellschaft leben zu können. Der Ahnenkult spielt in Konfuzianismus eine weitere wichtige Rolle. Durch die Verehrung der Ahnen kann über viele Generationen hinweg der Kontakt mit den Vorfahren bewahrt werden.

Der Konfuzianismus kennt 5 Kardinaltugenden:

  1. Menschlichkeit
  2. Gerechtigkeit
  3. Sittlichkeit
  4. Weisheit
  5. Aufrichtigkeit

Aus den Kardinaltugenden ergeben sich soziale Pflichten:

  • Die Loyalität gegenüber den Vorgesetzten und der Gemeinschaft.
  • Die Verehrung der Ahnen und die Folgsamkeit gegenüber Eltern und Großeltern.
  • Es ist die Pflicht jedes einzelnen, Anstand und Sitten zu wahren.

Die Bewahrung der gesellschaftlichen Ordnung wirkt sich über die Familie, zur Sippe zu größeren Gemeinschaften bis hin zur Loyalität zum Staat aus. Nur wer das große Ganze im Auge behält, sorgt auf Dauer für Wohlstand und Sicherheit.

Taoismus

Als Urvater dieser chinesischen Philosophie, jener des Taoismus, wird Lao Tse gesehen. Lao Tse heißt übersetzt soviel wie „alter Meister“. Der Taoismus ist eine Philosophie, die einem Jahrhunderte andauernden Entwicklungsprozess unterworfen war.

Das Tao-Te-King gilt als das Buch des Taoismus, es soll aus dem 4. Jahrhundert vor Christus stammen.

Die Einflüsse des Taoismus reichten in alle Gesellschaftsschichten und Aspekte des chinesischen Lebens hinein. Nicht nur in Philosophie und Religion, sondern auch Wissenschaft, Medizin, Ernährung und natürlich auch die Kampfkünste.

Taoisten wurden im China des 20. Jahrhunderts während und nach der Kulturrevolution verfolgt. Im modernen China wird der Daoismus wieder als religiöses und kulturelles Erbe geschätzt und gefördert.

Lernen und stetige Weiterentwicklung

Lernen ist wie Rudern gegen den Strom. Hört man damit auf, treibt man zurück. Laotse

Diese Erkenntnis gilt für jeden Lernenden. Für Kampfsportler und Kampfkünstler ganz besonders. Wer aufhört sich weiterzuentwickeln, der bleibt nicht auf einem bestimmten Leistungslevel, sondern er wird wieder schlechter.

Nur das ehrliche Bestreben, ständig besser zu werden, Fragen zu stellen, weiterzumachen, auch wenn man lieber einmal etwas anderes tun würde, führen zur Meisterschaft.

Gelingt es diese zu erreichen und dazu reicht kein Fetzen Papier der das bestätigt, ist die Reise noch lange nicht vorbei. Sie geht weiter. Es gibt immer etwas Neues zu entdecken, zu lernen und neue Herausforderungen zu bewältigen. Lassen die körperlichen Fähigkeiten altersbedingt nach, müssen Möglichkeiten gefunden und Fähigkeiten entwickelt werden, die das ausgleichen. Das ist durchaus möglich und kein utopisches Ziel. Erfahrung kann sehr viel, an anderen Fähigkeiten, wettmachen und kompensieren.

Am Ende, wenn sich der Schüler sein Leben lang mit seiner Kampfkunst befasst hat, wird der körperliche Kampf immer mehr zur Nebensache. Auf der Reise hat er so viel mehr gelernt, als eine oberflächliche Betrachtung auch nur annähernd verraten kann. Es ist ein voranschreiten auf dem Weg. Er hat ein Ziel, aber kein Ende.

Für viele Menschen, ohne die entsprechende Philosophie, die dahintersteht kennengelernt oder erfahren zu haben, ist dies ein unverständliches Konzept. Aus diesem Grund hören sie sehr schnell wieder auf und widmen sich der nächsten Freizeitbeschäftigung und Ablenkung.

Philosophie der Kampfkünste – Bücher:

Sunzi und die Kunst des Krieges

Ein Klassiker unter den Werken der chinesischen Literatur, der weite Verbreitung auch im Westen gefunden hat, ist das Buch – Die Kunst des Krieges. Der Autor Sunzi, ein chinesischer General, fasste in dem Werk die Prinzipien der Kriegsführung kurz und prägnant zusammen. Es besteht aus 13 Kapiteln und 68 Thesen.

Vergleichen wir folgende Zitate miteinander, so lässt sich erkennen, wie tief greifend der Einfluss des Taoismus auf die Thesen Sunzis gewesen sein muss.

Wer andere erkennt, ist gelehrt.
Wer sich selbst erkennt, ist weise.
Wer andere besiegt, hat Muskelkraft.
Wer sich selbst besiegt, ist stark.
Wer zufrieden ist, ist reich.
Wer seine Mitte nicht verliert, ist unüberwindlich. (Lao-Tse)

Wer den Gegner kennt und sich selbst, wird in hundert Schlachten nicht in Not geraten. Wer den Gegner nicht kennt, sondern nur sich selbst, wird das eine Mal siegen, das andere Mal unterliegen. Wer aber weder den Gegner kennt noch sich selbst, der wird in jeder Schlacht unweigerlich geschlagen werden. (Sunzi – die Kunst des Krieges)Beide einander inhaltlich sehr nahestehende Zitate, lassen sich direkt und indirekt auf die Kampfkünste anwenden.

Selbsterkenntnis, Ruhe, Gelassenheit verbunden mit dem entsprechenden Training führen zu den besten Ergebnissen. Das gilt für den Kampf und Auseinandersetzungen genau so, wie für die persönliche Entwicklung. Beides gehört untrennbar zusammen.

Hagakure – Der Weg des Samurai

Das Buch beschreibt in den vom japanischen Samurai, Tsunemoto Yamamoto aufgezeichneten Lektionen, Regeln und Erzählungen, das Bushido. Bushido ist der Begriff für den Ehrenkodex der Samurai, auch wenn viele dabei leider automatisch an Rapper denken.

Hagakure steht für Werte wie Entschlossenheit, Loyalität, Mut und Integrität.

Der Film „Ghost Dog“ mit  Forest Whitaker als Hauptdarsteller machte Hagakure einem großen Publikum weltweit bekannt.

Das Buch der Fünf Ringe

Der wohl bekannteste Samurai, der jemals gelebt hat, war Miyamoto Musashi. Musashi  (1584 bis 1645) war ein Ronin, ein herrenloser Samurai und gefürchteter Schwertkämpfer. Die „Fünf Ringe“ sind das geistige Erbe von Musashi. Der Begründer der „zwei Himmel“ bzw. der „Zwei Schwert Schule“ hält darin seine Ideen, Konzepte und Lehren fest.

„Das höchste Ziel der Kampfkunst ist, sie nicht einsetzen zu müssen.“Miyamoto Musashi

Die Philosophie der europäischen Kampfkünste?

Die europäische Herangehensweise an das Thema Kampf ist, so behaupte ich, wesentlich pragmatischer als jene der Asiaten. Effektivität steht und stand immer an erster Stelle. Nehmen wir als Beispiel die mittelalterlichen Waffenkampfmethoden. Diese gingen fast vollständig verloren.

Der Kampf mit Schwert, Speer, Lanze, Schild wurde durch die technische Entwicklung der Schusswaffen irgendwann einmal obsolet. Sie wurden nicht mehr benötigt und auch nicht mehr mit ihnen trainiert.

Der philosophische Unterbau, der den Kampfmethoden über ihren eigentlichen offensichtlichen kriegerischen Wert Bedeutung gab, war schlicht und einfach nicht vorhanden. So gerieten das Wissen, welches über Jahrhunderte Allgemeinwissen war, völlig in Vergessenheit.

Zwar gibt es wieder Bestrebungen, es über Bücher und Recherchen zum Leben zu erwecken, wie wir bei den HEMA sehen. (HEMA ist der Überbegriff für historische, mittelalterliche Kampfkünste.)  Die Chance, dass das gelingt, stehen aber äußerst schlecht. Keine mittelalterliche Schrift kann den Lehrer ersetzen. Die niedergeschriebenen Inhalte und Bilder müssen interpretiert werden.

Abgesehen davon, sind die Schriften unvollständig. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit hat kein Meister damals sein Wissen der Allgemeinheit und somit seinen Gegnern und Konkurrenten vollumfänglich in Büchern zur Verfügung gestellt.

Kampfsportarten und Philosophie?

Selbst in den Kampfsportarten zeigt sich die unterschiedliche Denkungsart und Philosophie von Asiaten und Europäern. Nehmen wir Judo als Beispiel.

Judo aus dem Jiu-Jitsu zu einem Sport entwickelt, wird auch heute noch in Japan, seinem Mutterland, anders trainiert als in Europa. Die Japaner lernen von Anfang an das Konzept des Ippon, als wesentlich kennen. Der Ippon, der volle Punkt, ist im Judo kampfentscheidend. Er steht symbolisch für das Leben des Judokas.

Den Kampf mit Ippon zu gewinnen ist die eindrucksvollste Art zu Siegen. Einen Ippon zu erzielen, erfordert allerdings auch maximale Entschlossenheit und die Bereitschaft zu einem hohen Risiko. Wer alles riskiert, um zu gewinnen, kann auch gekontert werden und alles verlieren.

Während die westlichen Judokas, überwiegend ihr Glück in kleineren Punktewertungen suchen, um in Summe die höhere Punktzahl zu erreichen, setzen die Japaner traditionell auf Ippon.

Der alte Geist des Bushido, die Philosophie des Kriegers ist im Judo, so wie es in Japan trainiert und gelehrt wird, bis heute erhalten geblieben.

Moderne Kampfsportarten

Jeder Sport oder jede Kunst, die ernsthaft betrieben wird, prägt die Ausübenden nachhaltig. In den Kampfsportarten sind gewisse Einstellungen sinnvoll und leistungsfördernd und viele Kampfsportler kommen zu ähnlichen philosophischen Erkenntnissen wie ihre Vorgänger aus aller Welt.

Die Erkenntnis, nicht unbesiegbar zu sein, trotz harten Trainings. Der Einfluss der Tagesform und manchmal schlicht und einfach des Glücks oder Unglücks, auf den Kampfausgang, sowie der Respekt vor dem Gegner, der ähnliches durchmacht wie man selbst und sich im Wettkampf stellt, prägen das Denken.

Das gilt für viele Kampfsportler, natürlich nicht für jeden einzelnen.

Fazit Philosophie der Kampfkünste

Die Herausforderungen für Krieger, Kampfkünstler und Kampfsportler im Training und im Kampf sind ähnlich. Eine bestimmte Geisteshaltung, die in vielen Stilen und Kulturen, religiös und philosophisch geprägt ist, ist dem Fortschritt förderlich.

So sind Werte wie Ausdauer, Fleiß, eine gewisse Demut durch das Erkennen der eigenen Grenzen, Respekt vor dem Anderen und das Ziel der ständigen Weiterentwicklung sowohl körperlich als auch persönlich Teil der Kampfkünste.

Nach Jahrzehnten des Trainings, ist für viele nicht mehr das vordergründige Ziel, kämpfen zu lernen und wehrhaft zu sein, das erste und wichtigste Ziel im Training, sondern die persönliche Weiterentwicklung.

Aus diesem Grund findet man gerade in den traditionellen Kampfkünsten viele Meister, die bis ans Ende ihres Lebens trainieren.

Es ist Teil ihres Lebens geworden und für sie viel mehr, als dem Durchschnittsbürger bewusst ist. Es sind keine kindlichen Gemüter, die ihre jugendliche Kampf- und Allmachtsfantasien nie ablegen konnten, sondern Menschen, die einen großen Wert im beständigen Training, weit über den körperlichen Aspekt hinaus, gefunden haben.

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