Ich habe eine Vielfalt an Kampfkünsten und Kampfsportarten wie Wing Chun, Boxen, Judo und Karate trainiert, fand meine Leidenschaft aber im Escrima, einer Kampfmethode aus den Philippinen. Seit 2009 übe ich Escrima aus und trainiere sowohl waffenlos als auch mit stumpfen und „scharfen“ Waffen. Viele Konzepte, Trainingsmethoden und Bewegungsmuster sind, mit gewissen Anpassungen, auch auf den modernen Boxsport übertragbar.
Training mit Waffen (FMA, Fechten) kann Boxern zu einer Verbesserung ihrer Fähigkeiten verhelfen. Es erfordert Bewegungsökonomie, präzise Schrittarbeit, verbessert die Koordination, Kontrolle über Distanz und Winkel zum Gegner, sowie ein unerschrockenes Mindset, sofern man realitätsnahe trainiert.
Folgende Arten des Trainings, mit unterschiedlichen Hieb- und Stichwaffen, eigenen sich, um boxerische Fähigkeiten zu verbessern:
- FMA steht für „Filipino Martial Arts„, die, es gibt hunderte Stilrichtungen, auch unter den Begriffen – Kali, Arnis und Escrima zusammengefasst werden. In den FMA haben sich, alte historische europäische Fechtmethoden, über Jahrhunderte erhalten, während diese in Europa, aufgrund der Entwicklung von Schusswaffen in Vergessenheit gerieten.
- Die HEMA („Historical European Martial Arts“), versuchen, die alten Waffenkampfkünste, über das Studium historischer Schriften und Ausprobieren, wiederzubeleben. Auch sie bieten, aufgeschlossenen Boxsportlern, interessante Idee, Konzepte und Trainingsmethoden.
- Unter den Begriff Fechten, fällt nicht nur der moderne, stark reglementierte Fechtsport, sondern auch die historischen Fechtmethoden, die unsere Vorfahren in kriegerischen Auseinandersetzungen verwendet haben. Sie unterscheiden sich stark vom Fechtsport, bieten aber eine Fülle an, für waffenlose Kampfmethoden, wie das Boxen, interessanter Konzepte.
Die ersten Boxlehrer, wie James Figg waren arbeitslos gewordene Fechtlehrer. Sie haben den modernen Boxsport im 18. Jahrhundert mitbegründet und zeigen auf, wie eng einst Boxen und Fechten miteinander verknüpft waren.
Mehr zum Thema Fechten/Waffenkampf und Boxen erfährst du in diesem Beitrag.
Bewegungsökonomie & Koordination verbessern durch Waffentraining
Vor allem der Umgang mit längeren und schwereren Waffen, dazu gehören einhändig geführte Waffen, wie Säbel, Rapier, Schwerter, aber auch Messer, Dolch und Schild und beidhändig geführte Waffen (Speer, Bidhänder, Paarwaffen) schult und erfordert die Fähigkeit, sich ökonomisch und kraftsparend zu bewegen.
Das Waffentraining und die erworbenen Fähigkeiten wirken sich auch im waffenlosen Kampf positiv aus. Für Boxer kann es eine echte Bereicherung sein. Sie werden sich wesentlich leichter tun, mit kurzen Bewegungen Schlagkraft zu generieren, wenn sie Kraft aus den Beinen und Oberkörper holen.
Im Umgang mit historischen Waffen kommt man schnell zur Erkenntnis, dass der gesamte Körper, für das Führen der Waffe, eingesetzt werden muss. Wer eine lange Klingenwaffe, ausschließlich mit der Kraft seines Arms und der Schultermuskulatur führt, ermüdet binnen kürzester Zeit.
Selbstverständlich ist mir bekannt, dass diese Erkenntnis, die Kraft aus dem gesamten Körper zu holen, nicht unbedingt neu im Boxsport ist. Der Vorteil des Waffentrainings ist aber, du bist gezwungen, sie praktisch umzusetzen. Lernst es meiner Einschätzung nach schneller.
Waffentraining trainiert auch die beim Schlagen beanspruchte Muskulatur in besonderer Weise. Nicht umsonst, werden auch im modernen Boxsport, Äxte und Vorschlaghämmer geschwungen, um die Kontraktionskette, der beim Schlagen beteiligten Muskulatur zu stärken.
Das Training mit Paarwaffen, zwei gleichartige Waffen in jeder Hand, die dazugehörigen Drills und Sparring, helfen beide Gehirnhälften besser miteinander zu verknüpfen, die Waffen effektiv einzusetzen, ohne sich dabei selbst zu behindern oder schlimmer noch zu verletzen.
Wie positiv das Bewegen, unterschiedlicher Waffen, mit ihren jeweiligen Eigenarten, sich auf die Koordination und Bewegungsökonomie auswirkt, kann man kaum überschätzen.
Schlagkraft verbessern mit Waffentraining?
Im Escrima gibt es den Begriff der „Short Power“. Wer über diese Fähigkeit verfügt, kann auf sehr kurzen Wegen, viel Kraft erzeugen, mit Waffen und ohne. Das ermöglicht es schnell hintereinander, die Wege sind ja kurz, effektive Schläge aus unterschiedlichen Winkeln zu schlagen.
Diese Schläge sind mit dem bloßen Auge kaum rechtzeitig zu erkennen. Sie werden durch die Bewegung des ganzen Körpers verschleiert und sind aufgrund der fehlenden Ausholbewegungen und kurzen Wege blitzschnell im Ziel.
Der 2022 verstorbene, Rene Latosa, US-amerikanischer Escrimalehrer, war in seiner Jugend, über mehrere Jahre, Schwergewichtsmeister in der US Army im Boxen. Das, ohne jemals Unterricht im Boxsport erhalten zu haben. Er nutzte das waffenlose Escrima und hat im Laufe seines Lebens, viele Profiboxer unterrichtet.
Das sogenannte Pinoy Boxen, ist ein Begriff, der die philippinische Boxkultur beschreibt. Es zeichnet sich durch eine Kombination aus Schnelligkeit, Technik und Schlagkraft aus und hat einen einzigartigen Stil, der sich von anderen Boxstilen unterscheidet. Die Grundlagen des Pinoy Boxens entstammen dem Escrima.
Pinoy Boxer waren auch im Profiboxsport äußerst erfolgreich.
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Fechterische Beinarbeit für Boxer
Vielleicht hast du ja schon Zeichnung und Gemälde von historischen Fechtern und deren Training gesehen? Auf vielen Bildern sind am Boden geometrische Muster, bestehend aus Kreisen und Dreiecken zu sehen.
Fechterische Beinarbeit, wie sie historisch im Umgang mit Hieb und Stichwaffen praktiziert wurde, beruhte auf den Erkenntnissen und Erfahrungen, von Kämpfern, über Generationen. Sie hat sich in der Praxis, in Auseinandersetzungen auf Leben und Tod bewährt und kann für Boxer äußerst hilfreich sein.
Die Beinarbeit ist beim Kampf mit Waffen einer der wichtigsten technischen Faktoren überhaupt. Sie determiniert die Distanz, Winkel und Positionierung zum Gegner. Im Unterschied zu waffenlosen Auseinandersetzungen, können Treffern im umgerüsteten Kampf, gegen mit Klingen bewaffnete Gegner, nicht hingenommen werden.
Sie sind kampfentscheidend.
Aus diesem Grund hat man im historischen Waffenkampf, wie dem Fechten, besonderen Wert auf die Beinarbeit gelegt. Die Übertragbarkeit der Bein- und Schrittarbeit aus den Waffenkünsten auf das Waffenlose ist sehr hoch und ermöglicht Boxern entscheidende Vorteile in ihrem Sport.
Sehr erfolgreiche Boxsportler haben sich Schritte und Trainingsmethoden, anderer Sportarten angeeignet.
Roy Jones Jr. hat Beinarbeit aus dem Basketball in seinen Boxstil integriert. Andere Elemente und Trainingsmethoden, aus dem Tanzen. In einigen traditionellen Tänzen, wie dem Flamenco, hat sich die Beinarbeit aus der mittelalterlichen spanischen Fechtschule bis heute erhalten.
Im Stierkampf, ist diese Fußarbeit ebenso wiederzuerkennen. Wenn es mit entsprechendem Training gelingt, wütenden Stieren auszuweichen, lässt es sich erst recht gegen heranstürmende Boxer verwenden.
Einige kubanische Boxclubs verwenden die Beinarbeit aus der spanischen Fechtschule noch heute, andere die der sowjetischen Boxschule.
Waffentraining – Distanzgefühl fürs Boxen
Das Training mit Waffen unterschiedlicher Länge trainiert in besonderer Weise das Distanzgefühl. Man lernt sich intuitiv auf die verwendete Waffe, deren Reichweite und der Reichweite des Gegners einzustellen. Eine Fähigkeit, die auch gegen unbewaffnete Gegner im Boxsport sehr hilfreich ist.
In Kombination mit einer ausgeklügelten Beinarbeit, kann ein vorteilhafter Winkel zum Gegner, in Angriff und Verteidigung, erzeugt werden. Das Ziel ist es in eine Position zu gelangen, aus der man ungefährdet den Gegner treffen kann, während man dabei, außer Reichweite seiner Waffen bleibt.
Diese Vorgehensweise wird ja auch im Boxen angestrebt. Einer der bekanntesten Boxer, der dies weltmeisterlich beherrschte, war Mike Tyson. Er konnte sich in effektive Schlagdistanz seitlich und fast schon hinter den Gegner bewegen, indem er Winkel und Distanz kontrollierte.
Konzepte aus dem Waffenkampf für den Boxsport?
Viele Konzepte und Techniken aus dem Waffenkampf lassen sich ganz oder adaptiert ins sportliche Boxen übertragen. Ein paar Beispiele, ohne den Anspruch auf Vollständigkeit:
- Beinarbeit: Wie bewege ich mich, nähere mich dem Gegner an und erzeuge vorteilhafte Winkel?
- Stärke – Schwäche: Wie positioniert man sich zum Gegner, um stabil zu stehen und dabei dessen Gleichgewicht negativ zu beeinflussen?
- Strategien, um Druck zu erzeugen und den Gegner zu stellen.
- Der Einsatz von Finten, Fallen und Takt. (Rhythmus)
- Gezielte Angriffe auf das Gleichgewicht. Hier gibt es, vor allem im Pinoy Boxen, eine große Zahl ausgeklügelter Methoden, die weit über das hinaus gehen, was man im Boxsport sieht. Nicht alles davon ist allerdings mit den Regeln des modernen Boxsports vereinbar.
- Die Idee verschiedene Waffen oder auch Schwert und Schild, einzusetzen, auch wenn man unbewaffnet ist. Alleine die Vorstellung, kann die Bewegungsmuster, Art der Angriffe und Verteidigung deutlich ändern. Das macht es für den Gegner ungleich schwerer, dich einzuschätzen. Du änderst deinen „Stil“ augenblicklich.
Selbstverständlich braucht es einen enormen Trainingsaufwand, um alle oben beschriebene Ideen und Konzepte, überzeugend im Kampf umsetzen zu können. Nur wenige meistern das auf hohem Niveau. Diese Leute beweisen aber, dann auch, wie effektiv und variantenreich, Waffenkampfmethoden auch im Boxsport sein können.
Spezielles Mindset durch das Waffentraining?
Leute, die wirklich hart, langjährig und bis an die Grenzen des vertretbaren mit Waffen trainieren, und das sind relativ wenige, entwickeln ein sehr spezielles Mindset. Zögerlichkeit und Unentschlossenheit gehören nicht zu den Dingen, die man sich im Vollkontakttraining oder gar Ernstfall leisten kann.
Selbstverständlich gilt ähnliches für alle Vollkontaktkampfsportarten, aber Vollkontakt mit Waffen ist noch eine andere Nummer. Das glaubst du spätestens, wenn du nach einem Leichtkontakttraining deine Hämatome am ganzen Körper zählst.
Fazit – Waffentraining für besseres Boxen?
Boxen ist als Leistungs- oder Hochleistungssport hoch entwickelt. Die Trainingsmethoden wurden und werden kontinuierlich überprüft, modifiziert und weiterentwickelt. Wer auf hohem Niveau Boxen lernen möchte, muss regelmäßig ins Boxtraining. Keine Frage.
Aber, auch für Boxer, kann es sehr sinnvoll sein über den Tellerrand zu schauen und genau das machen viele Sportler, in der Vergangenheit und Gegenwart.
Kampfmethoden, die sich dem Umgang mit Hieb- und Stichwaffen widmen, können diesbezüglich ein echter Geheimtipp sein und neue Sichtweisen, Einsichten und Trainingsimpulse liefern.
Am besten bist du als Boxer in Clubs beraten, die realistisch trainieren und ihre Fähigkeiten, regelmäßig im Sparring testen. Das Angebot, was Waffenkampfmethoden betrifft, ist groß und nicht allen Gruppen ist an realistischem Training gelegen.
Das ist völlig in Ordnung, ihr gutes Recht, dort wirst du aber nicht unbedingt finden, was du suchst, um dich boxerisch zu verbessern.
Eine gute Adresse war kämpferisches und realitätsnahes Training angeht, ist das ETF Escrima, das auch ich betreibe.
Viel Spaß beim Training!