Ungewöhnliche, oft als komisch empfundene Geräusche, werden von vielen Kampfsportlern im Wettkampf und Training erzeugt. Vom Stöhnen, Ächzen, bis hin zum Kampfschrei, der ganz bewusst trainiert wird, gibt es da ein weites Spektrum an seltsamen Lauten. Was ist der Hintergrund? Warum schreien Kämpfer?
Für das Schreien und Stöhnen, von Kampfsportlern im Kampf, gibt es physiologische und psychologische Gründe. Es dient der Verbesserung der Atmung, erhöht die eigene Kraft, reduziert das Schmerzempfinden, während es gleichzeitig den Gegner, irritiert, mitunter erschreckt und aus dem Konzept bringt.
Während die meisten Kampfsportler Geräusche im Kampf unbewusst erzeugen, gibt es einen auffallenden Unterschied, zwischen traditionellen und modernen Kampfsportarten. Traditionelle Kampfkünste, entwickeln ihren Kihup, Kiai, oder Kyup, wie der Kampfschrei im Karate, Kendo, Hapkido und Taekwondo genannt wird, ganz gezielt.
Wieso Geräusche und Zischlaute von Kämpfern verwendet werden, welche Vor- und Nachteile sie bringen, erfährst du in dem Beitrag.
Leistungssteigerung durch Schreien und Stöhnen im Kampf?
Das plötzliche Ausatmen im Kampf führt zu einer Leistungsverbesserung. Die von Geräuschen begleiteten Techniken, Schläge oder Tritte werden nachweislich härter. In Experimenten wurde eine Kraftsteigerung von bis zu 10 % bei Einzelaktionen gemessen.
Geräusche und gezielt eingesetzte Schrei sorgen im Kampfsport für eine verbesserte Atmung. Wer bewusst ausatmet, muss auch wieder bewusst einatmen. Wer das nicht tut und das ist allen Kampfsportlern, zu einem bestimmten Zeitpunkt in ihrem Training schon passiert, ermüdet binnen kürzester Zeit.
Besonders schnell geschieht das, wenn man unter ungewohnten Stress kommt. Das kann im Kampf sehr rasch passieren. Wer in diesem Fall, seine Atmung nicht kontrollieren kann, geht unweigerlich unter, selbst wenn er im normalen Leben, über eine hervorragende Ausdauer, verfügt.
Willkürliches und unwillkürliches Ausatmen und die damit verbundenen Geräusche kann man in fast allen Sportarten beobachten. Man denke nur an die Geräusche, die Kraftsportler, in Momenten höchster Anstrengung machen.
Treffer besser nehmen – Schmerzen aushalten
Im koreanischen Taekwondo wird der Kampfschrei ganz bewusst dazu verwendet, den Körper bei Treffern gegen Schläge und Tritte unempfindlicher zu machen. Das mit dem Schrei verbundene Ausatmen, reduziert das eigene Schmerzempfinden und die mit dem Ausatmen verbundene erhöhte Muskelspannung, hilft Treffer besser zu ertragen und nimmt ihnen einen Teil der Wirkung.
Ein Körpertreffer, der beim Einatmen erhalten wird, richtet viel mehr Schaden an.
Mit lautem Schreien wird auch ein erhöhter Adrenalinausstoß verbunden. Das macht logisch Sinn, denn lautes Schreien ist im Leben mit Stress und Kampf verbunden, auch wenn es selten körperlich dabei wird.
Das Hormon Adrenalin sorgt für mehr Kraft und senkt das Schmerzempfinden ab.
Schreien und Stöhnen zur psychologischen Kriegsführung
Laute Geräusche und allen voran Kampfschreie, erschrecken und irritieren den Gegner, nachweislich. Es spielt dabei kaum keine Rolle, ob dieser daran gewöhnt ist oder damit rechnet. Es führt zu messbaren Verzögerungen in den Reaktionszeiten.
In der Selbstverteidigung kann ein Schrei, laute Geräusche, aber auch das Stellen von Fragen, zum entscheidenden Zeitvorsprung, in Auseinandersetzungen führen. Das menschliche Gehirn setzt sich unbewusst mit den Geräuschen oder Fragen auseinander und kann auf Angriffe nicht mehr optimal reagieren.
Geräusche tragen auch zur Frustration des Gegners bei. Sie nerven den Kontrahenten und können auch dazu benutzt werden, Muster zu etablieren, um diese anschließend wieder zu brechen. So können sie als akustische Finten benutzt werden.
Denk an die ungewohnten Geräusche, die Bruce Lee in den Kampfszenen seiner Filme, vorgetragen hat.
Wer seine Kombinationen mit den immer gleichen Lauten begleitet, kann bei gleichbleibender Geräuschkulisse und anderen Angriffen, seinen Gegner schwer irritieren und leichter treffen. Diese Strategie wird unter anderem von vielen Thai Boxern bewusst genutzt.
Selbstaffirmation – Stöhnen und Schreien als Mentaltechnik
Das eigene Selbstbewusstsein zu stärken, sich Sicherheit zu geben, kann ebenfalls ein Grund sein, ganz bewusst Geräusche im Kampf zu erzeugen. In diesem Fall dienen die Laute oder Schreie als akustische Anker, wie sie in der Sportpsychologie verwendet werden.
Der in diesem Fall, akustische Anker, verbindet einen gewissen Gefühlszustand, mit den erzeugten Geräuschen. Wer am Sandsack und im Sparring selbstbewusst agiert, während er seine Aktionen mit Stöhnen, akzentuiertem Ausatmen oder Schreien begleitet, wird diese Haltung auch in einen Wettkampf mitnehmen.
So sind Geräusch bei körperlicher Anstrengung und vor allem im Kampf, probate Mittel, um deinen eigenen, Erregungszustand bzw. das eigene Aktivierungsniveau, zu optimieren. Der Körper wird auf das Abrufen von Höchstleistungen vorbereitet, bewusst und unbewusst!
Der Kampfschrei (Kiai, Kyup) in asiatischen Kampfkünsten
In vielen asiatischen Kampfkünsten wird der Kampfschrei ganz bewusst praktiziert. Er gehört untrennbar zu diesen Kampfmethoden. So werden Punkte in Wettkämpfen oft nur vergeben, wenn der Kihup, Kiai, oder Kyup, korrekt zur richtigen Zeit ausgeführt wurde.
Der Kampfschrei wird auch oft ganz bewusst eingesetzt, um Punkterichter zu beeindrucken.
Der Ausdruck, Kiai, bedeutet übersetzt Kampfschrei. Oft endet der Kiai, mit Konsonanten, das kommt dem abrupten Ausatmen, bei der Technikausführung entgegen. Die Laute, die der Kämpfer von sich gibt, können, mit Ausnahme vom Kendo, frei gewählt werden.
So entwickeln viele Kämpfer im Laufe der Jahre, ihre eigenen charakteristischen Kampfschreie. Einige verfügen sogar über ein gewisses Repertoire und nützen dieses situationsabhängig.
Im japanischen Karate, gibt es in den Formen, Katas genannt, bestimmte Techniken, die einen Kampfschrei zwingend erfordern. Wer im Kampf, gegen mehrere imaginäre Gegner, den Formen, keinen Kai, abgibt, wird mit Punkteverlusten sanktioniert.
In Wettkämpfen ist das Erzielen eines ganzen Punktes (Ippon), ebenfalls an einen Kiai gebunden.
Im japanischen Kendo, in dieser Kampfsportart wird mit Schwertern gekämpft, bezeichnet der Kampfschrei, die Körperstelle, die der Kämpfer zu treffen beabsichtigt. Die richtige Nennung, der Körperstelle, während der Aktion, ist mit ein Kriterium bei der Punktevergabe.
So soll sichergestellt werden, dass der Schwertkämpfer, Kontrolle über seine Aktionen hat.
Stöhnen und Zischen im Boxen, Kickboxen und Muay Thai
Stöhnende und zischende Geräusche, sind im Boxen, Kickboxen und anderen modernen Kampfsportarten nicht gefordert, wie es in vielen asiatischen Kampfkünsten der Fall ist. Trotzdem nutzen auffallend viele, um nicht zu sagen, fast alle Kampfsportler, Laute im Kampf.
Diese Geräusche bringen ihnen keinerlei Vorteile in der Punktewertung, sie erfüllen aber andere wesentliche Funktionen.
Die Geräusche der Boxer, Kickboxer und Thaiboxer, während des Kampfes, unterstützen die Kraftentwicklung, bei den Aktionen, sorgen für eine korrekte, funktionelle Atmung und irritieren den Gegner.
Sie sind außerdem eine echte Hilfe dabei, mithilfe der Atemtechnik, Energie zu sparen und zu konservieren. Wer sich frühzeitig im Ring verausgabe, selbst, wenn er der technisch bessere Kämpfer ist, wird einen hohen Preis zahlen. Das gilt besonders in Vollkontaktkampfsportarten, die eine sehr hohe Ausdauerfähigkeit erfordern.
Fazit – Warum schreien und stöhnen Kampfsportler?
Das Schreien und Stöhnen im Kampfsport hat praktische und traditionelle Gründe. In einigen Kampfkünsten ist es den Sportlern sogar vorgeschrieben, ihre Kampfschreie zu entwickeln und zu nutzen.
Die meisten Kampfsportler, greifen auf laute Geräusche im Kampf, aber unbewusst zurück. Sie haben aus Erfahrung gemerkt, dass schreien und stöhnen ihnen tatsächlich Vorteile im Kampf verschaffen können.
In Vollkontaktsportarten, wie dem Boxen oder Thaiboxen, wird mehrheitlich auf laute Schreie mit geöffnetem Mund verzichtet. Wer bei geöffnetem Mund am Kiefer getroffen wird, erleidet, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, einen Kieferbruch.
Zischende, zwischen den Zähnen hervorgepresste Geräusche auszustoßen, ist sicherer.
Viel Spaß beim Training!