Die kriegerische Vergangenheit der europäischen Völker hat zu der Entwicklung ausgefeilter, praktikabler Kampfmethoden geführt. Pragmatisch wie die Europäer sind, haben sie leider auch veraltete Kampfkünste, kaum mehr gepflegt, zu Sportarten verändert oder ganz vergessen. Es gibt und gab aber auch jede Menge Neuentwicklungen.
Europäische Kampfkünste lassen sich in modern und historisch unterteilen. Moderne Entwicklungen beruhen auf ihren alten historischen Vorgängern. Die historischen Kampfkünste Europas (HEMA), durch neue Technologien obsolet und in Folge in Vergessenheit geraten, erleben gegenwärtig eine Renaissance.
Eine Übersicht über moderne, mittelalterliche und antike europäische Kampfmethoden findest du in dieser Übersicht.
Moderne europäische Kampfkünste (Neuzeit)
- Bare Knuckle Boxen: Boxen ohne Handschuhe – England.
- Bartitsu: Bartitsu, im 19. Jahrhundert entwickelt, dient der Selbstverteidigung.
- Bataireacht: Die irische Kampfkunst mit dem Shillelagh, einem Kampfstock.
- Boxen: : Boxen ist eine Kampfsportart, bei der zwei Boxer in einem Ring gegeneinander antreten und versuchen, mit ihren Fäusten Punkte zu erzielen oder den Gegner durch K.o. oder T.o. zu besiegen. Im 18. Jahrhundert wurde das moderne Boxen in England entwickelt.
- Canne de combat/ Savate: Savate, wörtlich übersetzt alter Schuh oder abgetragener Schuh, ist auch als Boxe Française bekannt. Es ist eine Form des Hand- und Fußboxens und wurde ursprünglich als Straßenkampfstil von Seeleuten entwickelt.
- Combatives: Combatives ist ein Überbegriff für moderne Selbstverteidigungsmethoden.
- Fechten: Im olympischen Fechten gibt es drei Waffenarten: Degen, Florett und Säbel. Die Regeln unterscheiden sich je nach Waffe und Disziplin.
- Ju-Jutsu: Eine Synthese aus Karate, Aikido und Judo in der BRD entwickelt.
- Keysi: Keysi ist ein spanisches Selbstverteidigungssystem, das auf natürlichen Bewegungen und Reflexen basiert. Bekannt geworden ist es auch durch Filmproduktionen, da es Techniken aus verschiedenen Kampfsportarten kombiniert.
- Krav Maga: Krav Maga, das israelische Selbstverteidigungssystem hat seine Wurzeln in Europa und geht auf den ungarischen Juden Imrich Lichtenfeld zurück.
- Ringen: Ringen ist ein Kampfsport, bei der zwei Gegner versuchen, den anderen durch Greifen, Halten und Werfen zu besiegen. Es gibt verschiedene Stilarten, darunter das griechisch-römische Ringen und das Freistilringen. Beide Disziplinen sind olympisch.
- Sambo: Sambo ist eine gemischte Kampfsportart aus der ehemaligen UdSSR. In Russland ist es Teil der militärischen und polizeilichen Ausbildung.
- Schwingen: Schwingen ist ein traditioneller Schweizer Ringkampfsport, bei dem versucht wird, den Gegner auf den Rücken zu werfen. Gekämpft wird in einem mit Sägemehl ausgelegten Ring, dem sogenannten „Sägemehlring“.
- Systema: Systema ist eine Kampfkunst der Slawen und Kosaken, deren Ursprünge bis ins 10. Jahrhundert zurückreichen und die heute auch militärisch genutzt wird.
Es gibt eine Vielzahl, alter und moderner Kampfkünste und Kampfsportarten in Europa. Manche sind uralt, andere wurden entsprechend der Anforderungen und Vorlieben ihrer Gründer entwickelt und stellen sich als Modernisierung und Interpretation anderer Stilrichtungen aus aller Welt zusammen. Das gilt beispielsweise für das deutsche Ju-Jutsu, das Savate, eine von Matrosen entwickelte Kampfmethode und das Bartitsu.
Wer mehr Informationen zu den jeweiligen Kampfmethoden sucht, findet unter den obigen Links, detaillierte Informationen auf diesem Blog.
Europäische Stockkampfmethoden
Viele europäische Stockkampfmethoden, wie der englische Singe Stick, haben ihre Wurzeln im Fechten. Mit dem Stock als Klingenersatz wurde das Training wesentlich sicherer, erforderte aber dennoch eine gewisse Schutzausrüstung.
- Singe Stick
- Bartitsu
- Canne de Combat
- Jogo do Pau
- Bataireacht
Der Begriff Singe Stick wurde aber auch für den Staff (Stock)der von 7 Fuß (2,13 m – Quarterstaff) auf 5 Fuß (ca. 152 cm) reduziert wurde verwendet. Er konnte so, beidhändig und einhändig geführt werden.
Der sogenannte Waster, war ein hölzernes Übungsschwert, das für Trainingszwecke an Stelle des Backsword, eines schweren einseitig geschliffenen Breitschwerts eingesetzt wurde.
Andere europäische Stockkampfmethoden, wie wir sie im Bartitsu, dem Canne de Combat, Jogo do Pau und der irischen Stockkampfmethode Bataireacht, finden, konzentrierten sich ganz auf die praktikable Verwendung des Stocks als Waffe, für die Selbstverteidigung. Es gibt einige Gemeinsamkeiten des Stockkampfes mit dem Fechten mit Klingen, aber auch und das ist ganz wesentlich, sehr elementare Unterschiede.
Europäische Kampfkünste des Mittelalters
Die HEMA, historischen Kampfkünste Europas, basierten auf dem Waffenkampf. Der unbewaffnete Kampf war seit jeher eine Notlösung, etwas, was nur in Ausnahmesituationen zustande kam. Das überlieferte Wissen ist zum allergrößten Teil nur mehr in Büchern zu finden. Das Problem dabei, die überlieferten Beschreibungen und Zeichnung, lassen viele Fragen unbeantwortet.
Die europäischen Kampfkünste im Mittelalter bestanden aus einer Vielzahl von nationalen und internationalen Fechtschulen. Sie widmeten sich dem Kampf mit zeitgenössischen Waffen, zudem gab es waffenlose Elemente, die Ringen in Verbindung mit Schlägen und Tritten lehrten.
Stilisierte Zeichnungen, im Kontext der Zeit zu sehen, machen die Rekonstruktion, alter Kampfmethoden, noch schwerer.
So ging vieles an Wissen im Laufe der Geschichte unwiederbringlich verloren.
So groß die Bemühungen engagierter Fechter heutzutage auch sein mögen. Über Jahrhunderte gewachsenes, auf Erfahrung bauendes Wissen, lässt sich nicht so schnell rekonstruieren. Darüber kann ich mir, als jemand, der mit Waffen trainiert und über das ETF Escrima Zugang zu historischen Fechtmethoden hat, ein Urteil erlauben.
Der Umgang mit folgenden Waffen wurde in den mittelalterlichen Kampfkünsten in Europas gelehrt:
- Schwert: Der Umgang mit allen Arten von Schwertern. Vom einhändig geführten Schwert, dem Eineinhalbhänder bis zum Bidhänder.
- Schwert und Schild: Es wurden Schilder unterschiedlicher Größe und Form benutzt.
- Schwert und Buckler: Der Buckler auch Faustschild genannt, bietet viele Vorteile im Kampf. Er schützt aber nicht vor Wurfgeschossen.
- Eineinhalb Händer: Einhändig geführt wurde die zweite Hand verwendet, um Hiebe zu beschleunigen und schneller die Richtung ändern zu können.
- Bidhänder: Die zweihändig geführte Waffe, war ein Mittelding zwischen Speer und Schwert und wurde auch so verwendet.
- Langes Messer: Das lange Messer ist nur einseitig geschliffen. Schwerter sind beidseitig geschärft.
- Dolch: Der Dolch ist eine reine Stichwaffe. Gegen gerüstete Gegner wurden damit Schwachstellen in der Rüstung attackiert.
- Stangenwaffen: Zu den Stangenwaffen zählen der Speer, Hellebarde, Mordaxt, Lanze, Staff, quarter Staff und andere.
- Stangenwaffen und Schild: Auf dem Schlachtfeld eine sehr bewährte Waffenkombination in Formationen.
- Äxte: Es gab eine Vielzahl unterschiedlicher Arten, die sich in Gewicht, Länge und Design unterscheiden.
- Morgenstern: Besonders gegen gerüstete, gut geschützte Gegner waren der Morgenstern und Kriegshämmer sehr wirkungsvolle Waffen.
- Pfeil und Bogen
Das (Kriegs)Ringen in den mittelalterlichen Kampfkünsten Europas
Ringen in den mittelalterlichen Kampfkünsten Europas diente, neben der körperlichen Ertüchtigung, der allgemeinen kämpferischen Vorbereitung. Kam es im Waffenkampf zum Nahkampf, wenn die eigene Waffe gebunden, verloren oder deren effektive Distanz unterschritten wurde, ergab sich ein Ringkampf.
Ziel des Kriegsringens war in erster Linie, die eigene Waffe wieder einsetzen zu können, indem man versuchte, den Gegner aus dem Gleichgewicht zu bringen, ihn zu werfen und/oder am Boden zu fixieren. Zu den Techniken des Kriegsringens gehörten Hebel und Würfe, mit denen der Gegner bereits schwer verletzt werden konnte. Gegen gerüstete Gegner wurde oft ein Dolch eingesetzt, der in die Schwachstellen der Rüstung gestochen wurde.
Europäische Kampfkünste in der Antike
Die Wurzeln aller Kampfkünste und Kampfsportarten liegen in kriegerischen Kampfmethoden, die sowohl dem Kriegshandwerk als auch der Selbstverteidigung dienten. Wenn wir etwas über die historischen Kampfmethoden sagen können, dann das: Diese Kampfkünste wurden über Jahrhunderte auf Effektivität optimiert und in realen, meist tödlichen Auseinandersetzungen überprüft. So fand ein natürlicher Evolutionsprozess statt.
- Pankration
- Ringen
- Faustkampf
- Der Umgang mit allen Arten von Waffen
Nur die Besten überlebten. Ineffektive Techniken und Trainingsmethoden haben mit ihren Vertretern nicht überlebt. Von den antiken Kampfmethoden kennen wir Beschreibungen von Historikern und Artefakte, wie Vasen, Statuen und Mosaike, die Kampfszenen darstellen.
Mit Sicherheit lässt sich sagen, dass diese Kampfmethoden im Laufe der Zeit optimiert wurden und ein extrem hohes Niveau erreicht haben müssen. Es war für die Menschen, oft eine Frage über Leben und Tod, die sich im Kampf stellte.
Pankration der Allkampf
Das griechische Pankration, war in der Antike Teil der Olympischen Spiele, ab 648 v. Christus nachweisbar. Die Kämpfe waren extrem brutal und endeten mit Aufgabe, der Kampfunfähigkeit oder dem Tod eines der Kontrahenten. Bis auf Angriffe auf die Augen und Beißen war alles erlaubt.
Das Pankration setzte sich aus dem Ringen und Schlagen und Treten zusammen. Kurzum bis auf die zwei Ausnahmen war in der waffenlosen Auseinandersetzung alles erlaubt.
Gewitzte Marketer haben versucht das Pankration, als einen Vorläufer oder mittlerweile eine Spielart der Mixed Martial Arts (MMA), wieder aufleben zu lassen. In den Kämpfen war in der Anfangszeit des modernen Sportes im Pankration, das Schlagen mit der Faust verboten. Es wurde stattdessen der Handballen verwendet.
Der Holländer, Bas Rutten hat den Sport über Jahre dominiert.
Der Faustkampf in der Antike
Der Faustkampf wurde erstmals 688 v. Chr. olympisch. Es gab keine Gewichtsklassen, die Kämpfe endeten mit Kampfunfähigkeit oder Aufgabe eines Teilnehmers. Ein Zeitlimit gab es nicht. Die Fäuste wurden durch Bandagen aus Lederriemen und Wolle geschützt. Damit konnte härter geschlagen werden als ohne. Tiefschläge und der Übergang zum Ringen waren verboten.
Im antiken Rom wurde der Faustkampf zu einer Disziplin der Gladiatoren. Es wurden Bandagen aus Metallriemen, die mit Dornen bewährt waren, verwendet.
Fazit – Europäische Kampfkünste
Der Prophet im eigenen Land gilt nichts.
Diese Weisheit lässt sich auch auf die europäischen Kampfkünste anwenden. Immer noch herrscht die weit verbreitete Vorstellung, dass die asiatischen Kampfkünste und Kampfmethoden den europäischen überlegen seien. Schließlich, verwenden viele, raffinierte und spektakuläre Techniken, um ihre Gegner zu besiegen.
Gern wird dabei übersehen, dass die Kampfkünste, nachdem sie ihren Wert als Kriegshandwerk verloren hatten, idealisiert, vergeistigt und anderen Idealen unterworfen wurden. Gerade in Asien wurden die Kampfmethoden auf dem Weg des Do (Wegkunst), weiterbetrieben.
Die pragmatischen Europäer hatten da einen völlig anderen Zugang. Das Fechten und mittelalterliche Kampfmethoden wurden, mit der Einführung der Schusswaffe, irgendwann obsolet. Das erklärt auch, warum in den Philippinischen Kampfkünsten zum Beispiel, sehr viele Konzepte und Techniken alter europäischer Fechtmethoden zu entdecken sind. Jedenfalls viel mehr, als die europäischen Sportfechter heute noch kennen.
Das als Beispiel, da ich in den Bereich einen gewissen Einblick habe.
Einen kurzen Gedanken möchte ich dem Leser noch mitgeben: Wenn die europäischen Kampfmethoden den asiatischen unterlegen gewesen wären, wie hätten die Europäer die ganze Welt kolonialisieren können?
Das war weder toll noch nett, spricht aber für die Wirksamkeit ihrer Methoden.
Viel Spaß beim Training!
Martin