Die Fähigkeit, Angriffe und Aktionen des Gegners, frühzeitig zu erkennen, zu „sehen“, vorauszuahnen und rechtzeitig darauf reagieren zu können, ist für jeden Kampfsportler elementar. Eine alte Weisheit im Boxen besagt – der Schlag, den du nicht kommen siehst, schlägt dich K.o. Was kann man also tun, um das zu verhindern?
Der Blick im Kampf sollte auf den Bereich zwischen Brust und Bauchnabel des Gegners gerichtet sein. Mittels peripheren Sehens lassen sich so die Bewegungen des anderen Kämpfers, optimal verfolgen. Vermeide es, den Blick auf einzelne Körperteile zu fokussieren. Du musst den gesamten Körper wahrnehmen.
Gibt es Unterschiede in den einzelnen Kampfsportarten? Soll der Boxer seinen Blick anders ausrichten als der Kickboxer? Wie kann man die Fähigkeit trainieren, Aktionen des Gegners frühestmöglich zu erkennen und welchen Einfluss darauf haben Gott gegebene Reflexe und Genetik?
Verschiedene Methoden, den Blick im Kampf auszurichten
Kämpfer sind Individualisten, so wundert es auch nicht, dass es mehr als eine Methode gibt, den Blick im Kampf auszurichten. Sie unterscheiden sich, auch im Bereich von Spitzenkämpfern im MMA, Boxen oder Kickboxen, manchmal beträchtlich voneinander. Zumindest auf den ersten Blick.
So ist Fedor Emelianenko dafür bekannt, in die Augen seiner Gegner zu sehen. Mike Tyson, empfiehlt auf den Bereich zwischen Hals und Bauchnabel zu schauen. Der Kopf des Gegners würde ja, im Boxen zumindest, nicht zuschlagen.
Andere Spitzenkämpfer schauen auf die Brust, mit dem Argument, sie könnten anhand der zuckenden Muskulatur, Angriffe frühzeitig erkennen. Scheinbar gibt es mehrere Methoden, um damit erfolgreich kämpfen zu können.
Die Empfehlungen, wohin beim Kämpfen zu schauen ist, unterscheiden sich teilweise sehr. Hier einige Beispiele, wohin der Blick im Kampf auszurichten ist:
- Augen
- Beine
- Schultern
- Hüfte
- Wirbelsäule
- Hände
- peripher
- peripher + Fokus
Für all diese Empfehlungen, gibt es mehr oder weniger, gute Gründe. Bei näherer Betrachtung, stellen sich einige, aber als untauglich heraus. Auch, wenn es mehrere Möglichkeiten gibt, korrekt zu „schauen“, wenn es ums Kämpfen geht.
Wohin schauen beim Boxen, Kampfsport, MMA? – die Zielstellung
Das Ziel muss sein, gegnerische Aktionen, aller Art möglichst frühzeitig zu erkennen. Dazu müssen eine ständige Evaluierungen der Kampfdistanz, der gegnerischen Position und der sich daraus ergebenden Möglichkeiten, getroffen werden. Binnen Sekundenbruchteilen!
Um Angriffe möglichst frühzeitig zu erkennen, hat sich eine Kombination aus peripherem Sehen und dem Beobachten bestimmter Körperpartien, im Kampf, als am besten erwiesen. Beim peripheren Sehen siehst du am Gegner leicht vorbei. So lassen sich Bewegungen aller Art, schneller wahrnehmen.
Ein häufiger Fehler, gerade von Anfängern im Boxen, ist es auf die Fäuste des Gegners zu schauen. Definitionsgemäß sind das ja die einzigen Waffen, die im Boxsport eingesetzt werden dürfen. Wer die Hände ständig im Blick hat, sieht ja jeden Angriff kommen.
Falsch!
Der Fokus, also die ausschließliche Konzentration des Blicks, auf einzelne Körperregionen, ist in jedem Fall nicht ausreichend, um gegnerische Aktionen rechtzeitig ausmachen zu können. Das trifft, auf Hände, Schultern, Hüfte und Füße gleichermaßen zu.
Wohin im Kampf schauen? – Die häufigsten Fehler
Die Fokussierung des Blicks, auf einzelne Körperpartien, für Boxer, Kampfsportler, aber auch die Selbstverteidigung, ist ungeeignet, um gegnerische Aktionen in ihrer Gesamtheit, frühzeitig zu erkennen.
Der Blick auf die Fäuste des Gegners alleine reicht nicht aus. Spätestens in der mittleren und nahen Distanz lassen sich einzelne Schläge nicht mehr rechtzeitig ausmachen. Deshalb ist es enorm wichtig, selbst aktiv zu agieren, ständig in Bewegung zu bleiben, um kein festes Ziel zu bieten.
Wer sich ausschließlich auf die Augen seiner Gegner konzentriert, wird anfällig für Finten. Einige Kampfsportler, wie beispielsweise Bas Rutten, die MMA (Mixed Martial Arts) Legende, schauen bewusst auf eine Stelle, während sie eine andere attackieren.
Aus meiner Erfahrung lässt man sich beim Blick in die gegnerischen Augen auch leicht durch Mimik irritieren, was wiederum zu verzögerten Reaktionszeiten führen kann.
Der Blick auf die Füße des Kontrahenten wird von manchen Trainern und Kämpfern auch empfohlen. Schließlich muss der andere, erst die Füße bewegen, um aktiv die Distanz und Ausrichtung zu ändern. Auch Schläge ließen sich an Fußbewegungen, bzw. Gewichtsverlagerungen erkennen.
An diesem Ansatz ist durchaus, etwas dran, aber er ist zu einseitig.
Kampfsportler müssen das periphere Sehen nutzen. In vielen Fällen tun sie das schon unbewusst. Einige konzentrieren sich zusätzlich auf einzelne Körperregionen des Gegners, die sie auch bewusst beobachten.
Diese Mischung, stellt die beste Methode dar und hier gibt es durchaus individuelle Unterschiede. Während sich manche Boxer, eher auf die Augen konzentrieren, schauen andere auf die Schulterregion, die Hüfte oder die Füße.
Wer sich aber ausschließlich auf bestimmte Regionen konzentriert, wird definitiv Probleme bekommen, wenn es darum geht, Attacken rechtzeitig auszumachen.
Lernen, den Blick fürs Kämpfen zu trainieren?
- Erfahrungen sammeln – Intuition entwickeln
- Pratzentraining
- Sparring (Aufgabensparring, freies Sparring)
- Training am Doppelendball und Reflexball
- Andere Methoden um die Auge-Hand Koordination zu verbessern
- Lernen Angriffe zu antizipieren
- Wahrnehmungsübungen – bewusst das periphere Sehen trainieren
- Wettkämpfe
Tipps um Angriffe im Kampfsport schneller auszumachen
Muster erkennen
Lerne den Gegner zu lesen. Wer schnell bestimmte Bewegungsmuster, Schlagkombinationen und Vorbereitungshandlungen erkennen kann, ist dem Gegner einen Schritt voraus. Angriffe lassen sich so leichter vorausahnen und auskontern.
Um Muster schnell zu erkennen, bedarf es jeder Menge Erfahrung. Die kannst du durch möglichst viel Sparring, mit unterschiedlichsten Gegnern sammeln, aber auch durch das Beobachten. Wer sich regelmäßig Kämpfe ansieht und gezielt beobachtet, wird dabei definitiv besser werden.
Fallen stellen
Beim Fallen stellen, beginnst du bestimmte Lücken bewusst offenzulassen. Du kannst auch Muster in Angriff und Verteidigung, mehrmals hintereinander wiederholen. Diese Strategie dient dazu, den anderen Kämpfer zu gewissen Aktionen, zu verleiten.
Mit dem Fallenstellen bestimmst du indirekt mit, was dein Gegner tut und bist ihm einen Schritt voraus. Du schränkst auf diese Art seine Möglichkeiten ein und kannst ihn leichter abfangen, kontern oder blocken.
Die Auge-Hand Koordination verbessern
Zum Verbessern der Auge-Hand Koordination, gibt es jede Menge an Möglichkeiten. Beispielsweise wäre das Pratzentraining, als Pratzenhalter, Training am Doppelendball und Reflexball. Tennisball werfen und wieder einhändig fangen. Der Fantasie sind hier wenig Grenzen gesetzt.
Diese Übungen helfen dir sowohl im Angriff, als auch in der Verteidigung, wenn es darum geht Lücken zu erkennen und zu schließen, bzw. Angriffe zu parieren.
Der Reflexball, ein an einem Stirnband mittels, Gummiband fixierter Ball, ist ein denkbar einfaches und günstiges Tool, um die Auge-Hand Koordination zu verbessern. Er lässt sich auch selbst leicht herstellen.
Das Training ist koordinativ anspruchsvoll, hilft dir beim schnellen Erfassen eines sich schnell bewegenden Ziels und beim Dosieren der eigen Schläge. So entwickelst du Präzision und Timing.
Der im Boxsport gerne genutzte Doppelendball, bietet ähnliche Vorteile. An ihm lassen sich auch Meidbewegungen sehr gut trainieren.
Antizipationsfähigkeit verbessern
Antizipation im Kampfsport meint das Vorausahnen, gedankliche Vorwegnehmen, gegnerischer Aktionen. Sie wird in erster Linie durch Erfahrung verbessert. Mit zunehmender Routine fällt es leichter, Aktionen und Folgeaktionen vorherzusehen. So folgt auf die Schlaghand, mit hoher Wahrscheinlichkeit die Führhand, auf Schläge zum Körper, Angriffe zum Kopf.
Erfahrung sammelst du am besten im Training, über das Sparring und das Beobachten von anderen Kämpfern.
Wohin Schauen? Gibt es Unterschiede in den Kampfsportarten?
Der Gedanke liegt nahe, abhängig von der jeweiligen Kampfsportart, den Blick auf den Gegner anzupassen. Der Boxer ist ja nur aufs Schlagen beschränkt, während Kickboxer, Thaiboxer und MMAler, auch noch treten dürfen.
Ich würde hier keine großen Unterschiede machen, was das bewusste Sehen angeht. Wer den gesamten Körper über peripheres Sehen im Blick hat, kann Angriffe aller Art, schneller erkennen. Mit der nötigen Erfahrung, in den jeweiligen Kampfsportarten, lassen sich so auch die typischen Angriffe vorausahnen.
Blick, Sehen und Selbstverteidigung
Für Selbstverteidigungssituation ist das periphere Sehen essenziell. Es ist oft nicht klar, mit wie vielen Gegnern zu rechen ist und außenstehende Personen, können jederzeit eingreifen. So ist es vorteilhaft, sich einen 360 Grad Übersicht zu schaffen und ständig zu aktualisieren. Wer nähert sich an, von wo könnte Gefahr drohen, sind ganz entscheidende Fragen.
Ein Blick auf den Boden ermöglicht dir, zu erkennen, wenn sich jemand in die Angriffsdistanz bewegt, und noch rechtzeitig zu reagieren.
Das Sehen in eine besondere Fähigkeit, die gezielt trainiert werden muss. Ohne entsprechendes Training, wirst du nicht über die Fähigkeiten verfügen können, wenn du sie benötigst. Der Trainingsaufwand, um diese Fähigkeiten zu meistern, ist durchaus beachtlich.
Fazit – Wohin schauen beim Boxen, Kampfsport und Selbstverteidigung?
Die Frage, wohin man beim Kämpfen schauen soll, ist heiß diskutiert. Jeder Kämpfer hat seine eigenen Präferenzen und Vorlieben. Trotzdem lässt sie sich recht leicht und eindeutig beantworten.
Die Mischung aus peripherem Sehen und der gleichzeitigen Konzentration auf bestimmte Körperregionen, ist am besten geeignet. Dabei ist es dann relativ unerheblich, ob ein Kämpfer auf die Brust, knapp dran vorbei, auf die Wirbelsäule oder die Schultern sieht.
Was definitiv nicht funktioniert, ist der ausschließliche Fokus, auf bestimmte Stellen. Eine Strategie, die beispielsweise für Tennisspieler optimal ist, wenn sie sich auf den Ball konzentrieren, ist für Kampfsportler fatal.
Du musst den Gegner in seiner Gesamtheit – „sehen“!
Viel Spaß beim Training!