Die älteste Kampfkunst der Welt? – Kalarippayat


Das Phänomen Kampf, ist so alt wie die Menschheit selbst, das ist unbestritten. Die Frage ist: Gibt es noch Kampfmethoden, Kampfkünste oder Kampfsportarten, die sich bis heute erhalten haben? Welche sind das und was wissen wir über sie?

Das indische Kalarippayat, gilt als die älteste, heute noch ausgeübte Kampfkunst der Welt. Die ganzheitliche Kampfkunst, die mit und ohne historische Waffen betrieben wird, wurde erstmals ca. 6000 vor Christus dokumentiert und gilt als Mutter des chinesischen Kung-Fu und anderer Kampfkünste.

Kalarippayat oder auch Kalaripayattu, genannt ist deshalb so besonders, weil es als Ursprung unterschiedlichster Kampfmethoden gilt, die heute weltweit verbreitet sind und bis heute noch praktiziert wird.

Die ältesten uns bekannten Kampfkünste der Welt:

  1. Kalarippayat/Kalaripayattu (Indien ca. 6000 vor Christus)
  2. Malla Yudda (Indien, Pakistan, Nepal, Sri Lanka, ca. 3000 vor Ch.)
  3. Boxen (ca. 3000 vor Ch.)
  4. Shuaijao (China, ca. 2700 vor Ch.)
  5. Pankration (Griechenland ca. 2000 vor Christus, 648 v. Ch. Erstmals olympisch)
  6. Ringen (Ägypten, ca. 2000 v. Ch. und früher)
  7. Taekkyon (Korea, ca. 50 vor Christus)

Was das Boxen und Ringen betrifft, sind diese Kampfkünste, tief in der menschlichen Genetik verankert und spielen wohl, seit Beginn der Menschheitsgeschichte, eine wesentliche Rolle. Die Liste, der ältesten Kampfkünste der Welt, bezieht sich auf historische Funde und Dokumentationen und soll eine Orientierungshilfe liefern.

Kalarippayat, eine urindische Kampfkunst

Der Name Kalarippayat, leitet sich aus den Worten Kalari, was Trainingsort oder Lehrstätte bedeutet und Payat, das Training und Üben, bedeutet her.

Ein Indiz, dafür, dass es sich beim Kalarippayat, um eine echte, antike indische Kampfkunst handelt, ist, dass es in dörflichen Strukturen, offenbar seit Jahrtausenden, eingebettet ist.

Kalarippayat ist heute in Indien, die Kampfkunst des einfachen Mannes.

Während moderne, ausländische Kampfkünste, wie zum Beispiel das Karate, überwiegend in Städten, von der Oberschicht betrieben werden.

Bodhidharma der Begründer des Zen Buddhismus und Vater des Shaolin Kung-Fu, soll Kalarippayat praktiziert haben und es den chinesischen Mönchen gelehrt haben. Das Training sollte einen Ausgleich zur überwiegend sitzenden Meditationspraxis der Mönche bieten.

Über die folgenden Jahre entwickelten die Shaolin ihre eigenen Kampfmethoden, die Basis und Ursprung des chinesischen Kung-Fu und einer Vielzahl sich daraus entwickelnder Kampfkünste wurde.

Beitrag: Die Kampfkunst der Shaolin

In der Zeit der britischen Besatzung Indiens wurde die Ausübung von Kalarippayat bei Strafe verboten und so in den Untergrund gedrängt. Ähnlich, wie es, beim Kung-Fu in China, unter Mao Tse Tung der Fall war, geriet dadurch viel Wissen und Vergessenheit und ist wohl unwiederbringlich verloren.

Das moderne Kalarippayat, dürfte mit der ursprünglichen Kampfmethode, nicht mehr allzu viel gemein haben. Auch, weil, wie in anderen Kampfkünsten, der Schwerpunkt Richtung Persönlichkeitsentwicklung, Gesundheit und ganzheitlichen Trainings, verlagert wurde.

Wir kennen das aus den japanischen Kampfkünsten, die sich vielfach vom Jutsu zum Do, wie es beispielsweise beim Kenjutsu und Kendo, der Fall war, entwickelten. Das ist per se, weder gut, noch schlecht, sondern zeigt, wie sich Kampfkünste, der jeweiligen gesellschaftlichen Entwicklung anpassen.

Die Kampfmethoden/Stile des Kalarippayat

Es gibt zwei große Stilrichtungen, die die Kampfmethoden des Kalarippayat, ausmachen, der nördliche, aus Parasurama stammende und der südliche, aus Agastya kommende Stil. Während im Norden der Schwerpunkt auf hohe Tritte und Sprünge gesetzt wird, bevorzugt der südliche Stil, Handtechniken und ist weniger artistisch angelegt.

In der alten indischen Kampfkunst wird mit und ohne Waffen trainiert. Das Waffentraining ist den Fortgeschrittenen vorbehalten. Zu Beginn wird mit Stöcken, später auch mit scharfen Waffen geübt.

Das waffenlose Training in der ältesten Kampfkunst

Kalarippayat ist eine sehr vielschichtige Kampfkunst, es kommen Schläge, Tritte, Ringkampf und Hebeltechniken zum Einsatz. Beim Schlagen wird überwiegend die offene Hand eingesetzt. Das hat sich ohne den Schutz von Handschuhen weltweit als sinnvoll erwiesen, denn, die menschliche Faust, bestehend aus vielen kleinen Knochen, ist sehr verletzungsanfällig.

Viele der Techniken gerade aus dem Ringen lassen sich auf noch ältere Kampfmethoden zurückführen.

Im Kalarippayat gibt es auch, wie in den anderen klassischen Kampfkünsten, aus China, Japan oder Korea sogenannte Formen. (Katas) Diese sogenannten Suvadas, umfassen jeweils zwischen 20 und 50 Grundtechniken, die in einer fest vorgegebenen Abfolge durchgeführt werden und jeweils, etwa eine Minute Zeit, beanspruchen.

Es gibt sowohl Soloformen, die alleine geübt werden als auch Partnerformen, die vordefinierte Bewegungssequenzen mit einem Partner umfassen.

Eine Geheimwissenschaft stellt das Wissen um Nervendruckpunkte, empfindliche Punkte am menschlichen Körper, dar. Ich bezweifle keinesfalls, dass es hier in einigen Kampfkünsten fundiertes Wissen gibt. Die Frage bleibt aber immer, wie realistisch lässt sich das Wissen praktisch im Kampf anwenden.

Beitrag: Nervendruckpunkte im Kampf nutzen

Die Waffen im Kalarippayat

Das Kalarippayat hat seinen Ursprung, in der militärischen Ausbildung indischer Krieger und war für das Schlachtfeld entwickelt worden. Das Training mit, heute historischen, Waffen, der damaligen Zeit war der Kern des Trainings.

Der Umgang mit Speeren, Schwertern, Schilden und besonderen Waffen der Region, wie aus Tierhörnern hergestellter Waffen, dem Federschwert (Urumi) und Dreifachmessern, war und ist, fixer Bestandteil der Kampfmethode Kalarippayat.

Stöcke und stumpfe Waffen, wie sie auch heute noch im Kalarippayat Verwendung finden, waren in erster Linie, wie in anderen historischen Kampfkünsten weltweit, Trainingswaffen. Mit scharfen Klingen zu trainieren, hat sich grundsätzlich als zu riskant und nicht sinnvoll erwiesen.

Stöcke oder Stäbe aus Hartholz, aber auch aus Rattan und Bambus, waren aber auch immer die Waffen des einfachen Mannes. Kostengünstig, unauffällig zu führen und in den Händen eines Experten, durchaus gefährliche Waffen.

So nimmt das Training mit Stöcken, unterschiedlicher Längen, im Kalarippayat einen wichtigen Teil des Trainings ein.

Beitrag: In welchem Kampfsport oder Kampfkunst wird mit Stöcken trainiert?

Das Kalarippayat Training

Kinder beginnen ihr Training im Kalarippayat, im Alter von 6 -8 Jahren. Trainiert wird meist, schon aufgrund der in der Region herrschenden klimatischen Bedingungen, in der Früh zwischen 6 und 9 und am Abend von 5 bis 8 Uhr.

Praktiziert wird Kalarippayat entweder in eigenen überdachten Trainingsstätten, das gilt vor allem für den nördlichen Stil, die über eine Grube mit sandigem Untergrund verfügen, oder im Freien. Der Eingang zum Kalari, ist nach Osten ausgerichtet.

Bevor ein Schüler das traditionelle Training beginnt, wird er mit einer täglichen, etwa halbstündigen Ölmassage, für einige Wochen, auf die kommende körperliche Belastung vorbereiten soll. Die Lehrer der indischen Kampfkunst sind traditionell oft auch Ärzte und wissen um die Behandlung und Vorbeugung von Verletzungen.

Der Lehrer vollzieht die Massage traditionell stehend, mit den Füßen. En einem an der Decke befestigtem Seil hält er sich dabei fest und kann so gezielt den Druck steuern.

Das Aufwärmtraining ist intensiv, bestehend aus Dehnungsübungen und einfachen Kräftigungsübungen, wie Kniebeugen, Liegestütz und für den westlichen Betrachter ungewöhnlichen Übungen, wie den sogenannten Krokodilgang. Eine Übung, die es nur in einigen wenigen Kung-Fu Stilrichtungen gibt.

Wir stoßen hier immer wieder auf Hinweise und Indizien, die Rückschlüsse, über die Verbreitung von Kampfkünsten in der Welt, zulassen.

Trainiert wird waffenlos und mit Waffen, wobei sich die Kampfkunst als waffenlose Kampfmethode versteht, die Waffen als Erweiterung ihrer Extremitäten sieht. Im nördlichen Stil kommen hohe Sprünge und viele Übergänge von tiefen zu hohen Positionen vor.

Abhängig vom Lehrer und der Schule findet das Training, an 2 bis 5 Tagen in der Woche statt.

Kalarippayat – Yoga – Ayurveda und ganzheitliche Medizin

Das Kalarippayat ist eng mit der indischen Kultur verwurzelt. So finden Praktiken aus dem Ayurveda, einer traditionellen, ganzheitlichen indischen Heilkunst, Anwendung bei der Trainingsvorbereitung und Behandlung von Verletzungen.

Kalarippayat wird auch als Yoga in Bewegung bezeichnet, viele Stellungen und Stände, erinnern an Yogaposen.

Massagen und die Behandlung mit Kräutern, aber auch bedarfsgerechte Ernährung, sind ebenfalls Teil des Gesamtsystems Kalarippayat.

Kalarippayat ist eng mit dem Hinduismus verbunden. In vielen Kalaris (Trainingsstätten), finden sich Altäre, an denen Kerzen und Weihrauch angezündet und kleine Opfergaben gebracht werden. Die Göttin des Krieges, Kali, wird besonders geehrt.

Mittlerweile hat das Kalarippayat, als die vermutlich älteste und bekannte Kampfkunst der Welt, Verbreitung im Westen gefunden. Es gibt auch in Deutschland bereits Trainingsangebote in Schulen und sogar die Möglichkeit online an Trainings teilzunehmen, bzw. Kalarippayat über Onlinekurse zu lernen, soweit das auf diese Art möglich ist.

Fazit – Kalarippayat – die älteste Kampfkunst der Welt

Kalarippayat ist wohl die älteste und bekannte und immer noch praktizierte Kampfkunst der Welt. Wir können allerdings nicht davon ausgehen, dass, das, was wir heute im Kalarippayat sehen, dem entspricht, was vor Jahrtausenden geübt wurde.

Eine Kampfkunst unterliegt immer Entwicklungen, Neuerungen und leider sehr oft Verschlimmbesserungen. So wie sich die Ansprüche an die Kampfmethoden mit der Zeit verändern, ändern sich auch ihre Inhalte. Heute ist Kalarippayat eine ganzheitliche Kampfkunst, in der der geistigen, seelischen und körperlichen Gesundheit, der Schüler, sehr viel Aufmerksamkeit geschenkt wird.

Eine rein auf das Schlachtfeld und Kampf ausgerichtete Methode, wie sie es in ihren Ursprüngen gewesen sein muss, ist das Kalarippayat heute sicher nicht. Dafür herrscht Gott sei Dank auch kein Bedarf mehr!

Viel Spaß beim Training!

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