Erfolgsfaktor Talent im Kampfsport? Wie entscheidend ist es?


Erfolgsfaktor Talent im Kampfsport? Wie entscheidend ist es?

Es gibt talentierte und weniger talentierte Kampfsportler. Das ist „Allgemeinwissen“. Doch was ist Talent? Ist es gottgegeben, rein genetisch oder kann es entwickelt und erlernt werden? Inwieweit ist Talent ein Erfolgsfaktor im Kampfsport oder kann es sogar hinderlich sein?

Nach dem neuesten Stand der Forschung, ist Talent etwas, das erlernt wird und werden kann. Im Kampfsport spielt, neben genetischen Voraussetzungen, was unveränderbare körperliche Attribute, wie Körpergröße und Knochenbau betrifft, der Aufwand an intelligentem Training, die alles entscheidende Rolle.

Im Englischen, unter dem Begriff „Deliberate Practise“ bekannt, was man mit „bewusstem Üben“ übersetzen kann. In der deutschen Sprache kommt dem, das Konzept des „Differenziellen Lernens“, wohl am nächsten.

Genetik spielt im Kampfsport, eine Rolle, was die körperlichen Voraussetzungen anbelangt. Niemand kann durch Training seine genetischen Voraussetzungen verändern. Er kann das Optimum aus ihnen herausholen, muss aber mit den ihm in die Wiege gelegten Voraussetzungen leben.

Was aber die relevanten kognitiven und mentalen Fähigkeiten anbelangt, sind diese durch Training, weitestgehend beeinflussbar, wenn es um das Entwickeln von Talent geht. Koordinative Fähigkeiten, Strategie, Taktik, mentale Stärke sind Fähigkeiten, die mit dem richtigen Training und ausreichender Motivation erlernbar sind.

Was macht Talent im Kampfsport aus?

Jemand der Ahnung von seinem Sport hat, oft reicht ein Auge für gut koordinierte Bewegungsmuster auch aus, kann nach wenigen Sekunden erkennen, ob jemand „Talent“ hat. Ist der Kampfsportler in der Lage, Bewegungen nachzuahmen, wie ökonomisch kann er sich bewegen, wirkt es leicht und mühelos oder eher verkrampft?

Das sind wohl, die klassischen Kriterien, wenn es darum geht auf den ersten Blick „Talent“ zu erkennen.

Dabei umfasst Talent wesentlich mehr, viel mehr als auf den ersten Blick zu sehen ist. Es ist die Summe aller erlernten Fähigkeiten und genetischen Voraussetzungen, die es dem Kämpfer ermöglichen, kontinuierlich besser zu werden.

Die Motivation lernen zu wollen und sich weiterzuentwickeln, hart an sich zu arbeiten, spielen dabei eine ganz entscheidende Rolle, die weit über das hinausgeht, was den aktuellen Leistungsstand und das augenblicklich sichtbare Talent ausmachen.

Talent im Kampfsport – Vorteil oder Nachteil?

Für manche wird die Fragestellung, ob denn Talent ein Vorteil oder Nachteil sein kann, überraschend sein, für anderen etwas, was sie selbst, schon hinterfragt haben.

Talent ist dann ein Nachteil, wenn es Anfängern und mäßig Fortgeschrittenen ermöglicht, mit wenig Aufwand überdurchschnittlich gute Leistungen zu erbringen. Sie werden nie mit den Herausforderungen konfrontiert, die sich auf sehr hohem Niveau im Kampfsport stellen und entwickeln nicht die benötigten Fähigkeiten, um wirklich erfolgreich zu werden.

Ein sogenanntes „Antitalent“, jemand der gegen alle Hindernisse, von Anfang an ankämpft, um überhaupt irgendwie im Mittelfeld mitschwimmen zu können und gezwungen ist hart an sich zu arbeiten, wird langfristig, mit größerer Wahrscheinlichkeit erfolgreich sein, als das faule Kampfsporttalent.

Geht es um Spitzenleistung, ist konsequentes und intelligentes Training, der alles entscheidende Faktor!

Kann man Talent entwickeln?

Ja, Talent kann und wird im Laufe des Lebens entwickelt oder auch nicht. Dabei spielen schon Prägungen in der Kindheit, bewusst und unbewusste Glaubenssätze, über das, was man kann oder nicht kann, eine entscheidende Rolle.

Talente, die im Jugend- oder frühen Erwachsenenalter erkannt werden, haben alle eine ähnliche Vorgeschichte. Sie haben ihre Fähigkeiten, bewusst und unbewusst durch Üben entwickelt.

Das herausragende Bewegungstalent im Kampfsport, hat seine koordinativen Fähigkeiten, in vielfältiger Weise vorher geübt und tut sich deshalb, so leicht für ihn neue Bewegungsmuster zu meistern. Er hat sie sportlichen Grundlagen schon geschaffen und muss sie nur auf neue Bewegungen umlegen.

Das macht den Unterschied.

Die Art des Lernens und des Trainings, machen in Kombination, mit einem entsprechend großen Investment an Zeit, das sich entwickelnde Talent aus.

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Bewusstes Üben – differentielles Lernen im Kampfsport?

Bewusstes Üben setzt ein Verlassen der Komfortzone voraus. Es findet in der sogenannten Trainingszone statt und vermeidet die Panikzone, nach dem Modell von Noel Tichy. Das setzt ein Erkennen der Trainingszone voraus.

Im Unterschied zur Komfortzone, ist das Üben in der Trainingszone, alles andere als lustig, stellt den Kampfsportler, aber vor sinnvolle und bewältigbare Herausforderungen. Das bewusste Üben, im Sinne der „Deliberate Practise„, nach Anders Ericsson, ist ausschließlich und speziell zur Leistungsverbesserung designt.

Das bewusste Üben ist durch folgende Merkmale gekennzeichnet:

  1. Leistungsverbesserung als oberste Priorität.
  2. Es kann und muss oft wiederholt werden.
  3. Kontinuierliche, regelmäßige Rückmeldungen, über die erbrachte Leistung sind gewährleistet.
  4. Es ist mental äußerst anstrengend! Ein Zeitaufwand von 3 bis 4 Stunden am Tag gilt als das Maximum.
  5. Es macht, keinen besonderen Spaß. Das hohe Maß an Konzentration und Anstrengung in Bereichen, die verbesserungswürdig sind, erfordern einen hohen Grad an Willenskraft und Motivation.

Diese Art des Trainings bietet die besten Erfolgsmöglichkeiten. In der Praxis ist ein Trainer, Coach oder Mentor unerlässlich, um das nötige Feedback zu liefern. Das bewusste Üben ist in vielerlei Hinsicht anstrengend, bietet aber nachweislich, in allen Lebensbereichen und besonders Sport und Kunst, die besten Ergebnisse.

Wer auf diese Art, konzentriert übt und die nötige Zeit investiert, wird zwangsläufig Talent entwickeln. Wer schon über Talent in bestimmten Bereichen verfügt, hat es bewusst oder unbewusst, durch gezieltes Üben erlangt. So die Forschungsergebnisse.

Überdurchschnittliche Intelligenz, nach gängigen IQ-Tests, korreliert nicht direkt mit der Leistungsfähigkeit. Anhand von Schachspielern, konnte beispielsweise nachgewiesen werden, dass ein hoher IQ nicht Voraussetzung ist, für das Erlangen von Meisterschaft.

Offenbar ist, das Erreichen von Spitzenleistungen, geht es um die kognitive Komponente, Trainingssache.

Was haben Mike Tyson und die Gracies (BJJ) gemein?

Wer sich mit dem Training von Mike Tyson unter seinem Trainer Cus D`Amato, beschäftigt, erkennt sehr schnell, wie es dem Ideal, des „Bewussten Übens“ nach Eriksson nahekommt. Das Training war gekennzeichnet durch gezieltes Erweitern von Mikes Fähigkeiten und ständiges unmittelbares Feedback seiner Trainer und deren Assistenten.

Es widmete sich allen Komponenten, die Tysons Leistungsfähigkeit, verbesserten. So war der mentale Aspekt, ein ganz wesentlicher im Training, der bewusst auf vielfältige Arten gefördert wurde. Das Studium anderer Boxer auf Video, deren Stärken und Schwächen gehörten genauso dazu, wie die Arbeit am eigenen Mindset.

Dies ermöglicht schnelle Fortschritte im Boxen und schnelles Lernen.

Die Gracie Familie, hat das Brazilian Jiu-Jitsu weltberühmt und zu einem wesentlichen Element in den Mixed Martial Arts gemacht. Sie haben den Bodenkampf, auf ein neues Level gehoben und verfügen unbestritten über ein hervorragendes Niveau in dem Bereich.

Das System (BJJ) wurde auf Basis des alten japanischen Jiu-Jitsu, wurde durch besonders realistisches und kluges Training, entwickelt. Der alles entscheidende Faktor, war die neue, verbesserte Trainingsmethodik.

Wer sich schon mal damit beschäftigt hat, eine ungefähre Vorstellung davon hat, wie schon Kinder von wenigen Jahren, spielerisch trainiert und auf später vorbereitet werden, erkennt auch im BJJ, die Prinzipien, des „bewussten Übens“, wie sie von Eriksson definiert wurden.

Ein Beispiel, für das ganz gezielte Üben, in der Trainingszone, anstatt der Komfortzone, ist die Methode, sich beim Training, mit unterlegenen Trainingspartnern, bewusst in schwierige Situationen zu bringen. Situationen, aus denen es kaum ein Entkommen gibt und sich damit maximal, selbst zu fordern.

Ein Training in der Komfortzone, wäre kaum herausfordernd, dafür aber „angenehmer“ und weniger stressig. Zu lernen wäre dabei aber nur wenig.

Körperbau und Genetik als Erfolgsfaktoren im Kampfsport?

Wenn man bestimmte, unveränderbare genetische Anlagen, in die Kategorie Talent einstuft, so ist Talent in diesem Sinne, tatsächlich Gott gegeben und unveränderlich. So wird ein Fliegengewicht, niemals erfolgreich im Schwergewicht, gegen Spitzenleute antreten können. Egal, wie sinnvoll sein Training auch sein mag.

So sind Körperbau und eine bestimmte Genetik, sicher ein Vorteil im Kampfsport, sie sind aber nicht alles entscheidend. Bewusstes Üben und das Entwickeln von Talent, sind mindestens genauso wesentlich, wenn nicht noch wichtiger.

Letztendlich ist es auch ein Talent, sich dahingehend zu entwickeln, mit seinen Voraussetzungen das Maximum zu erreichen. Sonst wäre der schnellste und kräftigste Kämpfer, immer der Beste. Was er in vielen Fällen, aber nicht ist.

Fazit – Erfolgsfaktor Talent im Kampfsport?

Talent ist der entscheidende Faktor im Kampfsport. Das Missverständnis beginnt aber damit, was unter Talent verstanden wird. Talent ist etwas, das in weiten Bereichen entwickelt und damit erlernbar wird.

Das „bewusste Üben“ ist der Faktor, der auf den Erfolg in allen Bereichen des Lebens, einen ganz entscheidenden Einfluss hat. Das Konzept des „bewussten Übens“ erklärt auch, warum manche Kampfsportler, trotz enormen Trainingsaufwandes und langer Trainingsjahre nicht mehr besser werden, während andere kontinuierlich voranschreiten.

Es macht also absolut Sinn, sich über das persönliche Training Gedanken zu machen und es ganz gezielt zu planen und zu bewerten.

Viel Spaß beim Training!

Quellen:

  • Buch: Talent is Overrated, Geoff Colvin
  • Grin

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