Der Weg zur Meisterschaft ist lang und arbeitsintensiv. Gibt es Möglichkeiten, ihn abzukürzen. Einen Kampfsport oder eine Kampfkunst deutlich schneller zu erlernen?
Einen Kampfsport erlernst du schneller, wenn du leichte Modifikationen im Übungssetting nutzt, um das Gelernte tiefer zu verarbeiten. Verknüpfe bereits gelerntes mit neuen Informationen. Bleibe neugierig und motiviert, trainiere regelmäßig, Fehler sind Teile des Lernprozesses. Unterrichte selbst.
Du kennst vielleicht die 10.000 Stunden Regel. Sie besagt, dass so ziemlich jeder in jedem Bereich, unabhängig vom Talent, Meisterschaft erreichen kann. Vorausgesetzt, er investiert den nötigen Arbeitsaufwand. 10.000 Stunden gilt als Richtwert, sei es nun im Kampfsport, einer Kampfkunst oder einer anderen Sport- oder Kunstform.
Die naheliegendste Frage, die sich in dem Zusammenhang stellt: Kann man den Prozess abkürzen? Es kann doch nicht egal sein, was und wie du trainierst und lernst? Wie die besten Ergebnisse mit minimalem Aufwand erreichen?
Was passiert beim Lernen? Wie lernt man am besten?
Lernen ist ein physischer Prozess, der dazu führt, dass neue Verbindungen im Gehirn geschaffen werden und Informationen abgespeichert werden. Bereits vorhandene Informationen werden mit neuen verknüpft und in bereits vorhandene Informationsnetzwerke integriert.
Je tiefer das Wissen verarbeitet wurde, umso leichter ist es aus unterschiedlichsten Bereichen zugänglich. Du erkennst Gemeinsamkeiten und Muster zwischen unterschiedlichen Wissensbereichen und Informationen, die dir vorher nicht zugänglich waren. So gewinnst du ein besseres allgemeines Verständnis des Erlernten.
Wichtig zu verstehen ist, dass Gedanken sich beim Lernen, körperlich im Gehirn manifestieren und abbilden. Neue Synapsen werden geschaffen, das sind Verbindungen zwischen Nervenzellen. Vergleichbar mit dem körperlichen Training folgt auf einen gesetzten Trainingsreiz, eine entsprechende körperliche Anpassung. Beim Lernen findet diese Anpassung im Gehirn statt. Sie benötigt aber, wie es beim Muskeltraining auch der Fall ist, Zeit.
Darum ist es wichtig, Pausen einzulegen und gezielt zu nutzen. Diese Pausen dürfen nicht zu kurz, aber auch nicht zu lange sein. In einem Fall kann die Anpassung nicht erfolgen, im zweiten Fall geht sie wieder ganz oder teilweise verloren.
Das bedeutet, du solltest regelmäßig trainieren. Auch kurze Trainingseinheiten haben ihren Wert. Eine alles oder nichts Einstellung wäre kontraproduktiv. Hast du also keine Zeit, um das Training im Verein zu besuchen, kannst du immer noch für dich üben. Selbst, wenn es nur wenige Minuten sein sollten, hat das bereits spürbar positive Effekte.
Den Lernprozess im Kampfsport beschleunigen
Nutze leichte Modifikationen – differentielles Lernen
Du wirst im wahrsten Sinn des Wortes vielseitiger und flexibler, wenn du für leichte Variationen im Lernstoff und Modifikationen der Techniken im Training sorgst. Die Betonung liegt auf leicht und geringfügig. Neue Techniken zu erfinden und Grundtechniken neu zu erfinden ist damit auch nicht gemeint. Das wäre in jedem Kampfsport der sicherste Weg, möglichst schlechte Lernergebnisse zu erzielen.
Lass mich dir erklären was gemeint ist:
Nachdem du den grundlegenden Bewegungsablauf, welcher Technik auch immer erlernt hast, im Sinne von du kannst sie halbwegs genau imitieren, gehst du folgendermaßen vor:
Du beginnst die Beanspruchung und Bewegungsausführung leicht zu variieren.
Praktisch geht das so:
Trainiere mit unterschiedlichen Trainingspartnern: Jeder ist anders, ob groß, klein, leicht, schwer, aggressiv oder defensiv. Indem du mit unterschiedlichen Partnern trainierst, musst du dich immer wieder auf neue Gegebenheiten einstellen. Du trainierst zwar ein und dieselbe Technik, musst sie aber immer geringfügig anpassen. Das führt zu einer tieferen Verarbeitung des Gelernten im Gehirn und zu einem besseren Verständnis des Lernstoffes und schnellerem Lernen.
Variiere die Intensität und den Widerstand: Ein altes, weit verbreitetes Leid in vielen Kampfsportarten und sogenannten Selbstverteidigungssystemen, weniger im Kampfsport ist, dass die Partner zu wenig Widerstand bieten. So wichtig es am Beginn des Lernprozesses ist, möglichst ungestört durch den Trainingspartner seine Techniken ausführen zu können, umso schädlicher ist es, wenn es dabei bleibt. Wer seine Techniken und Fähigkeiten gegen jemanden anwenden können will, der tatsächlich ernsthaft angreift, der muss dementsprechend trainieren.
Ihr tut euch gegenseitig keinen Gefallen, wenn ihr euch nur tiefenentspannt im Training angreift. Die Herausforderung besteht darin, den Trainingspartner zu fordern, aber nicht zu überfordern. Wie beim Krafttraining, lernst du nur so stärkere Widerstände zu bewältigen.
Eine weitere Möglichkeit besteht darin, das Trainingsmaterial zu wechseln. Dies kann z.B. die Verwendung von Handschuhen in verschiedenen Größen bedeuten, um die Deckungsarbeit zu verbessern, oder die Verwendung verschiedener Geräte, um das Boxen schneller zu erlernen.
Trainiere an unterschiedlich großen und schweren Sandsäcken, am Doppelendball und an der Speed Bag, so weit es möglich ist, mit gleicher oder ähnlicher Zielsetzung. Durch diesen Variantenreichtum wirst du flexibler, anpassungsfähiger und letztendlich schneller, besser.
Die geringfügige Variation in der Aufgabenstellung und die damit verbundene Anpassung der Techniken wird im differentiellen Lernen genutzt. Diese Methode bringt nachweislich schnell, bessere Ergebnisse.
Schnell lernen – Nutze alle Sinne im Lernprozess
In der neurolinguistischen Programmierung unterscheidet man folgende Sinneskanäle:
- Visuell (Sehen)
- Auditiv (Hören)
- Kinästhetisch (Fühlen)
- Olfaktorisch (Riechen)
- Gustatorisch (Schmecken)
Diese Sinneskanäle tragen alle zu Lernprozessen bei. Im Kampfsport spielen das Sehen, die Kinästhetik und der auditive Kanal die wichtigste Rolle. Du kannst einen Sinneskanal besser trainieren, indem du andere Kanäle zeitweilig ausschaltest oder einschränkst. Ein einfaches Beispiel: Trainiere deine Schrittarbeit auch einmal mit geschlossenen Augen. Du bist so gezwungen, dich ganz auf dein Körperempfinden zu verlassen, um das Gleichgewicht zu halten.
Der visuelle Aspekt, der dir Orientierung im Raum verschafft, fällt, weg und muss mit anderen Sinnen kompensiert werden.
Beobachte Bewegungen und versuche sie exakt so nachzumachen. Nutze unterschiedliche Vorbilder und Bewegungsmuster. Dein Bewegungsspektrum und Verständnis wird sich erweitern. Es lohnt sich hier zu experimentieren, was für dich funktioniert.
Hilf anderen beim Lernen!
Selbst etwas zu erklären und Fragen von anderen, die du dir so nie gestellt hättest zu beantworten, hilft ungemein beim Lernen. Du gewinnst so mehr Einsichten und erkennst Zusammenhänge in unterschiedlichen Bereichen, die du bis dahin nicht gesehen hast.
Grundsätzlich gilt beim Lernen im Kampfsport und allgemein:
Je mehr Fragen du zum Thema hast, umso besser. Sie sorgen dafür, dass du dich intensiv mit dem Thema auseinandersetzen musst und nicht nur oberflächlich lernst.
Die richtige Einstellung zum Lernen – mehr Erfolg
Viele von uns haben aus der Schule nicht immer die beste Einstellung zum Lernen. Lernen wird zur Qual, wenn es erzwungen wird und keinen Sinn darin zu erkennen ist. Im hoffentlich freiwillig gewählten Kampfsport wird das Problem seltener auftreten. Es gibt aber immer wieder Menschen, die nicht einsehen, warum gewisse Abläufe und Techniken immer wieder wiederholt werden müssen. Es wird ihnen schnell langweilig und die Motivation geht verloren.
Für das Problem gibt es nur eine Lösung. Motiviere dich selbst. Mit dem Ziel vor Augen fällt es leichter beständig zu trainieren und auch immer wieder das Gleiche zu machen.
Repetition is the mother of all skills. Wiederholung ist der Mutter aller Fähigkeiten!
Motivation ist ein wesentlicher Faktor im Lernprozess. Bist du nicht motiviert, finde Wege, dich zu motivieren. Dazu kannst du Ziele definieren und dich hin und wieder zielgerichtet belohnen, wenn es niemand anderer tut.
Fehler im Lernprozess
Fehler sind Teil des Lernprozesses und völlig normal. Sie dienen dazu, Grenzen auszuloten und herauszufinden, was geht und was nicht mehr geht. Aufzugeben, weil Fehler passieren, ist völlig hirnrissig. Stell dir vor, du hättest nach den ersten Gehversuchen aufgegeben, weil es zu schwierig war. Also nicht über Fehler ärgern und sie als notwendigen Teil des Lernens betrachten. Allerdings solltest du danach streben, die gleichen Fehler möglichst wenig oft zu machen.
Fehler sind ein notwendiger Teil im Lernprozess!
Bleib neugierig!
Stelle Fragen und suche nach neuen Antworten. Der sicherste Weg nichts mehr dazuzulernen und wieder schlechter zu werden ist zu glauben, dass du ohnehin schon alles weißt. Schlechte Nachrichten für dich: Der Fall wird nie eintreten. Wer aufhört zu lernen wird nicht nur nicht besser, sondern er wird auch schlechter.
Neugierde und Wissensdurst stellen wichtige Faktoren im schnelleren Lernen eines Kampfsports dar. Für mich persönlich ein wesentlicher Faktor, der mich immer motiviert.
Übe Selbstkritik!
Zum positiven Umgang mit Fehlern gehört auch eine vernünftige Selbstkritik. Du musst Fehler erkennen und danach trachten, sie auszubügeln. Deine Eigenwahrnehmung wird geschärft und dein Lernprozess beschleunigt.
Fordere dich selbst zu mehr Leistung heraus!
Schaff dir ein Umfeld und Bedingungen, die dich fordern. Hast du es beispielsweise mit weniger erfahrenen Kampfsportlern zu tun, die im Sparring kaum eine Herausforderung darstellen, kannst du es dir selbst schwerer machen. Du kannst dich auf bestimmte Techniken oder Kombinationen beschränken. Dein Partner wird sich darauf einstellen und es dir schwerer machen.
Im Brazilian Jiu-Jitsu (BJJ) lassen sich Fortgeschrittene absichtlich in schwierige, fast aussichtslose Positionen bringen und üben dann aus diesen Positionen zu entkommen. Das gibt weniger erfahrenen Trainingspartnern, die Chance auf Erfolgserlebnisse und dem Fortgeschrittenen neue Herausforderungen.
Du kannst vergleichbare Methoden in jedem Kampfsport verwenden, um schneller zu lernen.
Spezielle Erfordernisse ans Lernen an Kampfsportler
Egal ob Kampfsportler, Kampfkünstler oder jemand der für die Selbstverteidigung trainiert. Eine Anforderung ist und sollte für alle gleich sein. Du musst in der Lage sein, das Gelernte im Wettkampf oder Notfall tatsächlich einsetzen zu können. Dazu müssen die Techniken, Bewegungsmuster und Verhaltensweisen entsprechend gut gelernt worden sein. Der Stoff muss sitzen und auch unter schwierigen Bedingungen abrufbar bleiben.
Leider wird das oft nicht verstanden und nicht entsprechend trainiert. Was dann im Ernstfall herauskommt, ist oft ernüchternd. Ich kritisiere hier einmal mehr besonders viele sogenannte Selbstverteidigungsstile, die ungeeignete Trainingsmethoden nutzen.
Neben vielen tausenden Wiederholungen, musst du dich im Training immer wieder Herausforderungen stellen, wenn du schneller und besser lernen willst.
Deshalb ist es umso wichtiger sich Gedanken über das Lernen im Kampfsport, Kampfkunst und Selbstverteidigungsbereich zu machen.
Viel Spaß beim Training!