Old School Boxen vs. Modernes Boxen – Was ist besser?


Old school Boxen vs. Modernes Boxen

Bis heute wird kontrovers diskutiert, wie sich die Boxlegenden vergangener Tage im Vergleich zu modernen, nach den neuesten sportwissenschaftlichen Erkenntnissen ausgebildeten Eliteboxern schlagen würden.

Über die Qualität des Old School Boxens im Vergleich zum modernen Boxen, herrschen unterschiedliche Meinungen. Sicher ist, dass die Boxer, früherer Generationen, über sehr viel Kampferfahrung, außergewöhnliche Härte und enormes, zum Teil heute verloren gegangenes Wissen verfügten.

Einige sind der Ansicht, dass die Boxer des frühen bis mittleren 20. Jahrhunderts heutzutage kaum Chancen gegen die im Durchschnitt größeren, schwereren und technisch versierteren Spitzenboxer hätten.

Andere, darunter namhafte Experten wie Mike Tyson, Muhammad Ali und der Profiboxtrainer Tom Yankello, sehen die alten „Old-School“-Boxer wie Jack Dempsey, Joe Louis, Rocky Marciano und Sugar Ray Robinson im direkten Vergleich vorn.

Beide Gruppen haben gute Argumente für ihre Standpunkte. Doch was lässt sich über die Qualität und Entwicklung des Boxsports seit dem Beginn des 20. Jahrhunderts bis heute sagen? Was spricht für die Qualität des Old-School-Boxens und was für die des modernen Boxsports?

Vom Bare Nuckle Boxen zum modernen Boxsport

Der Boxsport entwickelte sich vom englische Bare Nuckel Boxen im 18. Jahrhundert, über die Einführung der Queensberry-Regeln (1867) zum modernen Sport. Als Beginn der Ära des modernen Boxens gelten, in den Augen der meisten Experten, die 1980er und 1990er Jahre.

Die Wurzeln des modernen europäischen Boxsports reichen bis ins 18. Jahrhundert zurück, als arbeitslose Fechtlehrer wie James Figg an Boxkämpfen ohne Handschuhe, auch bekannt unter Bare Nuckle Boxen, teilnahmen und bald darauf begannen, Schüler im Boxen zu unterrichten.

Boxen war zu dieser Zeit, kaum reguliert und ähnelte eher einer Mischung aus Straßenkampf und den Mixed Martial Arts. Boxen wurde über den Wettkampfaspekt hinaus auch, zum Zweck der Selbstverteidigung trainiert.

Erst mit der Einführung der Queensberry-Regeln im Jahr 1867 in England wurden die Grundlagen für den modernen Boxsport gelegt. Sie machten das Tragen von Boxhandschuhen zur Pflicht, legten Rundenzeiten, Zahl- und Pausen fest, verboten Schläge unter die Gürtellinie, das Ringen und ein Weiterführen des Kampfes, bei Niederschlägen.

Zudem wurden Ringrichter und Punkterichter obligatorisch.

Der Boxsport war zu Beginn und Mitte des 20. Jahrhunderts, eine Sportart mit besonders vielen aktiven Sportlern, in Relation zur Gesamtbevölkerung. Aus diesem Grund und der Häufigkeit, an der diese Boxer an Wettkämpfen teilnahmen, waren sie ungleich erfahrener als die Boxer der heutigen Zeit.

Im modernen Boxsport ist die Zahl der aktiven Boxer und die Kampfhäufigkeit deutlich geringer. Das ist einerseits, den vielen Sicherheitsmaßnahmen, die der Gesunderhaltung der Boxer dienen und andererseits, den besseren Verdienstmöglichkeiten geschuldet, die es nicht notwendig machen, oft zu kämpfen.

Old School Boxen – Begriffsklärung – zeitliche Abgrenzung

Es gibt keine allgemein anerkannte Definition des Old School Boxens. In diesem Beitrag beziehen wir uns auf die Zeit vor den 1980er und 1990er Jahren, des 20. Jahrhunderts, die den Beginn des modernen Boxens kennzeichnet. Dabei unterscheiden wir zwei Phasen:

  1. Die Ära des frühen 20. Jahrhunderts, gekennzeichnet durch Boxlegenden wie, Jack Dempsey, Joe Louis und Sugar Ray Robinson.
  2. Die Ära von 1950 bis in etwa 1980 (Muhammad Ali, Joe Frazier und George Foreman), bis zum Beginn des „modernen Boxens“.

Old School Boxen im frühen 20. Jahrhundert

Zu den besten und bekanntesten Boxern des frühen 20. Jahrhunderts zählen – Jack Dempsey, Joe Louis, der ungeschlagene Rocky Marciano, Sugar Ray Robinson, Gene Tunney und der Deutsche Max Schmeling. Ray Robinson, sticht, mit über 200 Kämpfen (174 Siege), als vermutlich bester Boxer aller Zeiten heraus.

BoxerBilanz
Jack Dempsey53 Siege, 6 Niederlagen, 8 Unentschieden
Joe Louis66 Siege, 3 Niederlagen, 52 Knockouts
Sugar Ray Robinson174 Siege, 19 Niederlagen, 6 Unentschieden
Max Schmeling56 Siege, 10 Niederlagen, 4 Unentschieden
Rocky Marciano49 Siege, 0 Niederlagen, 43 Knockouts

Leider steht uns von einigen dieser Boxlegenden nur sehr wenig qualitatives Filmmaterial zur Verfügung. Die ersten Radiosendungen zu Boxkämpfen gab es in den 1920er Jahren. Fernsehübertragungen von Boxkämpfen folgten in den 1930er Jahren, aber es sollte bis in die 1950er Jahre dauern, bis die weite Verbreitung von Fernsehgeräten es einem breiten Publikum ermöglichte, Boxkämpfe live zu verfolgen.

So sind uns bedauerlicherweise von den Boxern des frühen 20. Jahrhunderts, viele Kämpfe nicht mehr zugänglich. Von Ray Sugar Robinson, der unter Fachleuten als der wahrscheinlich beste Boxer aller Zeiten gehandelt wird, existiert nur wenig Filmmaterial, das ihn in seiner Glanzzeit, zeigt.

Die Boxer im frühen 20. Jahrhunderts zeichneten sich durch eine große Kampferfahrung aus. Sie kämpften sehr oft und einige von ihnen hatten äußerst lange Karrieren, die über 20 Jahre und darüber hinaus andauerten.

Viele dieser Kämpfer kamen aus ärmlichen Verhältnissen und boxten, um sich ihr Überleben zu sichern. Von Jack Dempsey wissen wir, dass er in seiner Anfangszeit, um Mehlzeiten kämpfte und manchmal tagelang von seinen Kämpfen nichts zu essen hatte.

Entsprechend motiviert kämpfte er.

Old School Boxen 1950 – 1980

Zu den besten Boxern der Ära von 1950 bis 1980 zählten: Muhammad Ali, Joe Frazier, George Foreman, Larry Holmes, Ken Norton, Sonny Liston und in späteren Jahren, Sugar Ray Leonard, Roberto Durán und Marvin Hagler.

BoxerBilanz
Muhammad Ali56 Siege, 5 Niederlagen, 37 Knockouts
Joe Frazier32 Siege, 4 Niederlagen, 27 Knockouts
George Foreman76 Siege, 5 Niederlagen, 68 Knockouts
Sugar Ray Leonard36 Siege, 3 Niederlagen, 25 Knockouts
Roberto Durán103 Siege, 16 Niederlagen, 70 Knockouts
Marvin Hagler62 Siege, 3 Niederlagen, 52 Knockouts
Larry Holmes69 Siege, 6 Niederlagen, 44 Knockouts
Ken Norton42 Siege, 7 Niederlagen, 33 Knockouts
Sonny Liston50 Siege, 4 Niederlagen, 39 Knockouts

Filmmaterial und detaillierte Videoanalysen dieser Boxer stehen jedem Internetnutzer auf YouTube kostenlos zur Verfügung. Jeder Interessierte hat so die Möglichkeit, die Stärken, Schwächen und Kämpfe dieser Legenden anzusehen.

Was bei näherer Betrachtung der Boxer dieser Zeitperiode auffällt, ist neben ihrer technischen Finesse, ihre außergewöhnliche Härte. Die Kämpfer gingen einander nicht aus dem Weg, traten wiederholt gegeneinander an und kämpften häufiger, als wir es von den heutigen Boxgrößen kennen.

Viele dieser Boxer kämpften in ihren WM-Kämpfen noch über 15 Runden, bevor die Anzahl der Runden schrittweise in den 1980er Jahren auf ein Maximum von 12 Runden reduziert wurde.

„Modernes Boxen“ von den 1980ern bzw. 1990ern bis heute

Zu den erfolgreichsten Profiboxern seit 1980 zählen: Mike Tyson, Lennox Lewis, Evander Holyfield, Oscar De La Hoya, Floyd Mayweather Jr., Manny Pacquiao, Wladimir Klitschko, Bernard Hopkins, Roy Jones Jr., Miguel Cotto, Andre Ward, Gennady Golovkin und Canelo Alvarez.

Einige der oben genannten Boxer, Holyfield, Hopkins sowie James Toney zählen viele Experten noch zu den Vertretern der klassischen alten Boxschule, wenn sie auch schon hauptsächlich in der „modernen Ära“ gekämpft haben.

Mike Tyson, als Vertreter des Peek a Boo Stiles, unter seinem Trainer Cus D`Amato, der mit allen Wassern gewaschen war, ist ein Sonderfall.

Ein besonders auffälliges Unterscheidungsmerkmal zwischen den Boxern vergangener Generationen und jenen der Gegenwart, das auch für Laien offensichtlich ist, betrifft ihr körperliches Erscheinungsbild. Insbesondere im Schwergewicht sind die Athleten durchschnittlich muskulöser, schwerer und stärker.

Moderne Boxer, wirken athletischer, austrainierter und massiger. Der Grund dafür dürfte eine bessere, zielgerichtetere Ernährung, moderne Trainingsmethoden und so munkelt man in vielen Fällen, die Zufuhr, unerlaubter, leistungssteigernder Substanzen sein.

Die Kämpfer, sind auffallend explosiv, flink auf den Beinen und achten in den meisten Fällen, mehr auf eine hochgezogene, geschlossene Deckung. Diesbezügliche Ausnahmen, wie Roy Jones Jr., ein absolutes Ausnahmetalent, bestätigen die Regel.

Old School vs. Modernes Boxen – Wie oft wurde geboxt?

Ein bis zum heutigen Tage, stark unterschätzter Faktor ist die Kampferfahrung und Härte der Boxer, aus früheren Perioden. Viele von ihnen kamen, zählt man nicht sanktionierten Kämpfe, Amateur und Profikämpfe zusammen auf bis zu 200 Kämpfe und mehr.

Die Sicherheitsmaßnahmen, die wir vom modernen Boxsport kennen, auch wenn sie im Profiboxen oft etwas lockerer interpretiert werden, gab es damals nicht. Tote im Boxring und gesundheitlich schwer geschädigte Boxer waren keine Seltenheit.

Im Vergleich mit modernen Boxchampions, die als Weltmeister ca. ein bis 4 Mal im Jahr kämpfen, verfügten die Boxer der alten Schule, über ungleich mehr Kampferfahrung. Sie mussten gegen die unterschiedlichsten Gegner bestehen, lernten sich anzupassen, ihre Stärken zu entwickeln und das ist nicht nur metaphorisch zu verstehen – zu überleben.

Technische Unterschiede: Old school vs. Modernes Boxen

Die technischen Unterschiede zwischen dem „modernen Boxer“ zu jenen des Old School Boxens sind vielfältig. Wohl am auffallendsten ist auf den ersten Blick ist das Deckungsverhalten, der Stand und das Geschehen im Clinch.

Eine immer wiederkehrende Erklärung ist, dass im Old School Boxen, mehr Wert auf einen korrekten Stand gelegt wurde, während die modernen Boxer mehr bewegungsorientiert kämpfen.

Unterschiede in der Grundstellung/Stand

Der Vergleich zwischen Old School Boxen und modernem Boxen zeigt Unterschiede in der Grundstellung. In der alten Schule ist eine solide Defensive entscheidend, der Oberkörper wird leicht zur Seite geneigt und das Körpergewicht nach hinten verlagert. Im modernen Boxen stehen die Boxer aufrechter und offensiver, bieten aber auch mehr Angriffsfläche.

Wer sich ein Bild über den korrekten Stand im Old School Boxen verschaffen will, der ist bei Tom Yankello, einem US-Boxtrainer, der unter anderen Roy Jones Jr. trainiert hat, richtig.

  • Ein korrekter Stand und die richtige Positionierung zum Gegner, im Boxen, reduziert dessen Angriffsmöglichkeiten, bietet bestmöglichen Eigenschutz und erlaubt es flüssig und schnell aus unterschiedlichen Winkeln zu schlagen. Das Gewicht ist dabei am hinteren Bein, die hintere Schulter leicht abgesenkt, der Stand schulterbreit.

Yankello ist erklärter Fan, des Old School Boxens und unterrichtet seine Schüler entsprechend.

Eine ausführliche Erklärung zum Stand im Old School Boxen, kannst du in dem Video sehen.

  • Die Art der Deckung wird ebenfalls, durch den Stand beeinflusst. Ein korrekter Stand erlaubt es, mit den Händen offensiver zu agieren, da er vergleichsweise guten Eigenschutz bietet. In meinen Augen kein Vergleich zur massiven Doppeldeckung und der sich daraus ergebenden Kampfweise, manch anderer Boxer.

Unterschiede im Clinch und Nahkampf

Der Boxsport hat im Laufe seiner Geschichte, einige einschneidende Regeländerungen erfahren.

  • Im Old School Boxen wurde der Clinch wesentlich intensiver trainiert und mehr in der absoluten Nahdistanz gekämpft. Die für die meisten Zuseher unattraktive Kampfweise, wurde durch Regeländerungen, im modernen Boxsport, stark eingeschränkt.

Fachleute sind sich weitgehend darin einige, dass moderne Boxer, ihren Vorgängern im Clinch, unterlegen wären. Sie trainieren ihn nicht mehr so intensiv, da er im modernen Boxsport, aufgrund der Regeln, weniger Relevanz hat.

Old School vs. Modernes Boxen – Kraft-& Ausdauertraining

Die Old School Boxer trainierten mit einfachsten Mitteln. Körpergewichtsübungen, Holzhacken, Laufen, Schattenboxen, Seilspringen und Schlagtraining an schweren Sandsäcken machte das Training aus. Im modernen Boxsport wird das Training nach neuesten Trainingsmethoden und medizinischen Erkenntnissen durchgeführt und übers Jahr geplant.

Wie wir ja alle wissen, hat der Sport, mithilfe der modernen Sportwissenschaft, große Fortschritte gemacht. Rekorde in der Leichtathletik oder dem Schwimmsport werden gebrochen und kontinuierlich verbessert.

Was liegt näher, als diese Erkenntnis auf den Boxsport zu übertragen? Moderne Boxer, sind schneller, schwerer, stärker, muskulöser und müssen demzufolge auch bessere Boxer sein, als die Generationen vor ihnen. Diese Annahme, so naheliegend sie auf den ersten Blick erscheinen mag, bestreiten viele Fachleute und Fans.

Die Trainingsmethoden des Old School Boxens, waren durch Jahrzehnte der Erfahrung von Boxern, die häufig und gegen starke Konkurrenten kämpften, in einer Zeit, in der die Zahl der Wettkämpfer extrem hoch war, geprägt.

Sie bestand aus einfachen Übungen, mit dem eigenen Körpergewicht, Holzhacken, Seilspringen, Lauftraining, Schattenboxen und sehr intensiven Trainingseinheiten an Sandsäcken. Das Training bzw. die Methoden sind so umfangreich, dass ich dazu einen eigenen Beitrag verfassen werde.

Ob die Trainingsmethoden, die die moderne Sportwissenschaft hergibt, tatsächlich effektiver als die altbewährten Methoden früherer Boxer ist, wage ich, je mehr ich mich mit dem Thema beschäftige, zu bezweifeln.

Was man dabei aber immer berücksichtigen muss, ist, dass früher, wesentlich öfter gekämpft wurde. Die Kämpfer mussten immer in Form sein und nicht nur ein, zweimal im Jahr peaken. Makro-, Mikro und Mesozyklen, in der Trainingsplanung gab es damals also nicht.

Erfolgreiche „Old School Boxer“ im modernen Boxen?

Auffallend erfolgreich waren, um einige Beispiele zu nennen, George Foreman, Bernard Hopkins und James Toney, die mit ihren boxerischen Fähigkeiten, im höheren Alter und körperlich lange nicht mehr in Bestform, glänzten.

  • George Foreman errang zweimal den Weltmeistertitel: Seine erste Weltmeisterschaft im Schwergewicht errang er 1973, als er Joe Frazier besiegte, und seine zweite Weltmeisterschaft am 1994, mit dem Sieg gegen Michael Moorer.
  • Bernard Hopkins war als Profiboxer von 1988 bis 2016 aktiv und errang mehrere Weltmeistertitel in unterschiedlichen Gewichtsklassen.
  • James Toney war von 1988 bis 2017 aktiv und errang 5 Weltmeistertitel in verschiedenen Gewichtsklassen. Er gilt als einer der besten, defensiven Boxer aller Zeiten.

Fazit – Old School Boxen vs. Modernes Boxen

Der auf den ersten Blick naheliegende Schluss, modern ist besser, ist bei einem so komplexen Sport wie dem Boxsport, nicht zwangsläufig, der richtige.

Vieles spricht dafür, dass Generationen von Boxern, vor den 80er/90er Jahren des 20. Jahrhunderts, zu Unrecht unterschätzt werden.

Die hohe Anzahl an Athleten und ihre beeindruckende Leistungsdichte, die damals in einer weitaus verbreiteten Sportart zu finden waren, sowie die Fülle an Talenten, die den Boxsport ausübten und durch zahlreiche Kämpfe und Erfahrungen gewachsen sind, machen die Boxer dieser Ära zweifellos zu anspruchsvollen Gegnern.

Auch für hochtrainierte, schwerere, muskulösere Boxprofis der modernen Ära. Darin sind sich viele Fachleute und Boxer einig.

Viel Spaß beim Training!

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