Sicher im Alltag – taktische Konzepte für die Selbstverteidigung


Du schnallst dich beim Autofahren an, auch wenn du beim Einsteigen nicht unbedingt mit einem Unfall rechnest? Das ist nicht nur gesetzlich vorgegeben, es ist auch Grund-vernünftig. Ähnlich verhält es sich mit klugem Alltagsverhalten, wenn es darum geht, Angriffen oder Überfällen vorzubeugen.

Keine Sorge, du musst nicht zu Rambo werden, ganz im Gegenteil. Diese Konzepte und Verhaltensstrategien sind für jeden halbwegs gesunden Menschen problemlos umsetzbar. In diesem Beitrag stelle ich dir zwei Konzepte aus dem militärischen-taktischen Bereich vor, die dir helfen werden, dich sicherer im Alltag zu bewegen.

Es handelt sich dabei um:

  • Den Cooper Farbcode.
  • Den OODA Loop.

Falls du der Meinung bist, dass dich das Problem nicht betrifft, oder betreffen könnte, rate ich dir:

Die neuesten Kriminalitätsstatistiken zu studieren oder einfach nach den Begriffen, Messerangriff, Totschlag, Vergewaltigungen, Bahnhofsschupfereien – wie Tötungen von Menschen verniedlichend genannt werden, die auf die Gleise vor einfahrende Züge geworfen werden, zu googeln. Das Thema der Gewalt an Frauen ist gerade in Österreich ein heiß diskutiertes Thema.

Panikmache – taktische Konzepte für Zivilisten?

Nein, es geht mir um einen realistischen Zugang zu Gefahren- und Bedrohungssituationen, denen jeder von uns potentiell ausgesetzt ist, wenn er sich im öffentlichen Raum bewegt. Dir sind doch bestimmt die Weihnachtspoller aufgefallen, die Weihnachtsmärkte vor allzu dynamisch einfahrenden Autofahrern schützen? Die Poller verrichten ihre Dienste ganzjährig, unauffällig auf immer mehr öffentlichen Plätzen.

Waffenverbote und immer schärfere Messergesetzgebungen sind weitere Indikatoren dafür, dass es zunehmend Sicherheitsprobleme gibt. Musst du deshalb in Panik verfallen, paranoide Züge entwickeln, und ständig in höchster Alarmbereitschaft sein?

Nein!

Es genügt sich an grundlegende Verhaltensspielregeln zu halten, die dein Leben sicherer machen.

Achtung: Das Waffengesetz in Deutschland wird mit dem 1.1.2020 erneut verschärft! Dann sind nur mehr Messer mit einer Klingenlänge bis zu 4 cm legal zu führen. Informiere dich beim Gesetzgeber über die Details!

Der Cooper Farb – Code – Sicher im Alltag

Benannt nach dem Oberstleutnant des US Marine Corps Jeff Cooper. Die Farben des Cooper Codes werden mit bestimmten Risiken, Verhaltensweisen und den jeweils damit verbundenen Gefühlslagen gekoppelt. Diese Einteilung macht es dir leichter, Klarheit darüber zu erlangen, was angemessen und zu tun erforderlich ist.

Farbe Weiß: Entspannt – in Sicherheit

Diese Farbe wird dem Zustand, entspannt und in nahezu absoluter Sicherheit zugerechnet. Beispielsweise zu Hause, beim Entspannen in einem sicheren Umfeld, in dem keinerlei Bedrohungen zu erwarten sind. (Die Zombie-Invasion hat nicht stattgefunden, die Weltwirtschaft läuft rund…)

  • entspannen
  • regenerieren
  • erholen
  • keinerlei Bedrohungen

Farbe Gelb: Entspannte Aufmerksamkeit!

Typisch dafür wäre der Zustand, den du im öffentlichen Raum grundsätzlich einnehmen solltest. Du bewegst dich im Straßenverkehr und bist dir bewusst, dass ein Verkehrsunfall passieren könnte, möglicherweise Taschendiebe unterwegs sind. Du erwartest keine Bedrohungen, kannst und willst die Möglichkeit dafür, aber nicht komplett ausschließen.

Bedrohungen:

  • Sind nicht zu erwarten.
  • Aber auch nicht komplett auszuschließen.

Farbe Orange: So lange wie nötig!

Zustand Orange könnte man durch die Fragen beschreiben: Da ist doch was im Busch – was geht da vor? Es können verdächtig aussehende Personen in der Umgebung sein oder schlechte Witterungsbedingungen im Straßenverkehr. Was, wenn es auf der nächsten Brücke Glatteis gibt? Was wenn die verdächtig aussehende Personengruppe beginnt sich mir zu nähern?

Dieser Zustand kann über längere Zeit aufrechterhalten werden, ist allerdings auf Dauer ermüdend und nicht durchgehend aufrechtzuerhalten. Deshalb solltest du, sobald es möglich und sinnvoll ist, wieder auf Zustand gelb wechseln.

  • Zustand der erhöhten Aufmerksamkeit.
  • Potentielle Gefahren sind zu erwarten.
  • Auf Dauer ermüdend.
  • So lange wie nötig.

Farbe Rot: Ein Kampf steht unmittelbar bevor oder ist bereits im Gange

Du hast eine unmittelbare Bedrohung erkannt. Du wirst bereits angegriffen oder ein Angriff steht unmittelbar bevor. Im deutschen und österreichischen Notwehrrecht gilt beides, als Rechtfertigungsgrund sich zu verteidigen. Dein Körper schüttet Stresshormone aus und bereitet sich binnen Sekunden auf einen Kampf vor.

Herzrasen setzt ein, eventuell leichtes Zittern, was mit der starken Ausschüttung des Hormons Adrenalin zu tun hat. Dein Schmerzempfinden ist herabgesetzt.

Eventuell kommt es zu einem Tunnelblick. Das schränkt deine Sicht ein und du bist, da auf die unmittelbare, erkannte Bedrohung fixiert sehr anfällig für Angriffe von der Seite.

In dieser Situation hast du eine, im besten Fall zwei Optionen:

  1. Kampf
  2. Flucht

Die „feige“ Flucht ist dem Kampf so möglich generell vorzuziehen. Ist die Option Flucht erfolgversprechend und liegen keine anderen Gründe vor die dagegen sprechen? Dann flüchte! Ist das aus bestimmten Gründen nicht möglich musst du kämpfen.

Gegen die Option Flucht können sprechen:

  • Du bist mutmaßlich langsamer als der Angreifer.
  • Es existieren keine Fluchtwege.
  • Du musst jemanden beschützen.

Wie sinnvoll sind Selbstverteidigungskurse?

An dieser Stelle kann und sollte ein entsprechendes körperliches Selbstverteidigungstraining greifen. Du bist dann hoffentlich gut vorbereitet und nicht irgendeinem Scharlatan von Selbstverteidigungsexperten aufgesessen, der dir 20 nicht funktionierende Methoden der Messerabwehr und seine Geheimtechniken aus 1001er-Kampfkünsten verraten hat.

Viel Glück damit. Die Hoffnung stirbt ja angeblich zuletzt. Wir wollen es nicht herausfinden.

Musst du deshalb zum nächsten Selbstverteidigungskurs rennen? Dich körperlich auf den Tag X vorbereiten? Ganz ehrlich?

Jein!

Wenn du dich im Vorfeld richtig verhältst, nicht unnötigen Gefahren und Risiken aussetzt, dann wirst du wahrscheinlich auch ohne auskommen. Falls du doch in die Situation kommen solltest, dich körperlich zur Wehr setzen zu müssen, solltest du entsprechend vorbereitet sein. Das erhöht deine Überlebenschancen deutlich, ist aber noch lange keine Garantie dafür.

Für Personen und Personengruppen, denen körperliche Gegenwehr nicht möglich ist, ist es aber umso wichtiger im Vorfeld klug zu handeln. Damit wäre aus meiner Sicht auch ein Gutteil dessen, was Selbstverteidigung ausmacht abgedeckt.

Und DAS kann jeder, der seine Sinne beisammen hat, lernen und trainieren!

Farbe Schwarz: Handlungsunfähigkeit

Diese Farbe im Cooper Code beschreibt den Zustand der Handlungsunfähigkeit, der Schockstarre. In diesem Zustand bist du derart überfordert, dass du nicht mehr in der Lage bist, die auf dich einströmenden Reize zu verarbeiten und sinnvoll zu handeln. Dieser Zustand wird auch unter Fight – Flight – Freeze beschrieben.

Die letztere der drei „Handlungsmöglichkeiten“ in Hochstresssituationen, die eigentlich keine Handlungsmöglichkeit mehr ist. Dieses „Einfrieren“ mag evolutionsbedingt  Sinn gemacht haben. Wilde Tiere vor weiteren Angriffen abgehalten haben. In modernen Zeiten und insbesondere was zwischenmenschliche Konflikte angeht, ist diese Verhaltensmuster meist fatal.

Lösung?

Zustand schwarz vermeiden. Klar. Nur ist das leider nicht so einfach.

Eine bewährte Möglichkeit neben der Prävention und dem entsprechenden Verhalten im Vorfeld ist das entsprechende Training. Grundsätzlich geht es dabei um Gewöhnung und Desensibilisierung. Das kann durch gezieltes Szenariotraining, Visualisierungen und Sparringübungen erreicht werden.

Der Ernstfall wird sich aber nie wirklich simulieren lassen, das sollte klar sein und darin liegen auch die Grenzen des vernünftigerweise Machbaren.

Weiter praxisnahe und praxisrelevante Informationen zum Thema findest du in Bernd Schuberts Buch – Street Safety.

Geht es auch ohne das Büchlein? Ja klar.

Enthält es nützliche Informationen? Ja klar.

Der Autor ist mein Lehrer und weiß aus der Praxis als Sicherheitskraft wovon er redet. Was für wen funktioniert und was nicht. Er gibt dir konkrete Handlungsanweisungen auf den Weg, die unter Stress noch funktionieren und abrufbar bleiben.

Der OODA Loop – Taktisch sinnvoll entscheiden!

Der OODA Loop beschreibt den menschlichen Entscheidungsprozess, der immer wieder durchlaufen wird. Er dient dazu, eigene Entscheidungen schneller zu treffen und den Entscheidungsprozess des Gegners zu stören. Ziel ist es, dem Gegner immer einen Schritt voraus zu sein und ihn zum Reagieren zu zwingen.

Während er, eine sich ändernde Situation verarbeitet, trifft man selbst schon Entscheidungen und ist so deutlich im Vorteil. So verliert er die Kontrolle über die Situation während die Person, die den Prozess steuert und bestimmt, die Kontrolle übernimmt. Der OODA Loop ist ein fixer Bestandteil in der Polizeiausbildung in vielen Ländern der Welt.

Entworfen wurde dieses Modell vom US Kampfpiloten Col. John Boyd, der den gegnerischen Entscheidungsprozess antizipierte und ihm so ihn der Handlung immer einen Schritt voraus war.

Robert Coram: Boyd: The Fighter Pilot Who Changed the Art of War.

Der OODA Loop aus dem militärischen Bereich stammend, findet mittlerweile in vielen Bereichen des Lebens, der Selbstverteidigung und der Ökonomie Anwendung.

Grundsätzlich geht es beim OODA Loop darum:

  • Die eigene Entscheidungen schneller zu treffen.
  • Den Entscheidungsprozess des oder der möglichen Gegner, unterbrechen und deren Loop neu starten.

Die einzelnen Phasen des OODA Loops:

  1. observe – beobachten
  2. orient – orientieren
  3. decide + control – entscheiden
  4. act – handeln

1. Observe – Beobachte

Du benötigst die Fähigkeit deine Umgebung im Auge zu behalten, nach Bedrohungen oder Auffälligkeiten zu scannen und die richtigen Schlüsse daraus zu ziehen. Darauf solltest du achten, wenn du deine Umgebung scannst.

Diese Fähigkeit setzt wie jede andere auch Training voraus. Sie kann aber sehr leicht im Alltag geübt werden. Beispielsweise kannst du üben Gegenstände in einem Raum wahrzunehmen, diverse Ein- und Ausgänge, Positionen die einen guten Überblick über das Geschehen erlauben.

Kluge Selbstverteidigung beginnt hier.

Wenn du nicht nur deine Aufmerksamkeit verringern willst, sondern dich auch noch deutlich für jeden sichtbar zur Zielscheibe machen willst, habe ich folgende Tipps für dich:

  • Setz dir Kopfhörer auf, im Idealfall solche die Umweltgeräusche weg Filtern und dreh voll auf!
  • Konzentriere dich auf dein Handy und nimm die Augen so wenig wie möglich vom Display.

Die letzten beiden Tipps setze bitte nicht um! Ich habe das bewusst provokant formuliert, um klarzumachen, was du NICHT tun solltest.

Darauf solltest du achten:

  1. Personen die die Umgebung scannen. Aus welchen Gründen tun sie das? Aus Gewohnheit, befinden sie sich in Panik? Wie reagieren sie auf Augenkontakt? Fühlen sie sich ertappt oder verhalten sie sich selbstbewusst?
  2. Gibt es Personen, die ihr Gesicht verbergen? Durch auffällige Kleidung, gesenkten Kopf, Kapuzen, dunkle Brillen, die Hand vor dem Gesicht? Inwieweit ist dieses Verhalten im Rahmen des Normalen?
  3. Achte auf die Hände des Verdächtigen! Sind diese sichtbar oder versteckt? Möglicherweise greift er nach einer Waffe oder ist zumindest bereit dazu. Sind die Fäuste geballt? Gibt es Hinweise auf Aggression?
  4. Meidet der Verdächtige auf auffällige Weise den Augenkontakt? Oder aber sucht er ihn auf provokante Art und Weise?
  5. Tut der Verdächtige beschäftigt und bemüht sich auf auffällige Art und Weise um Unauffälligkeit?
  6. Ist sein Blick in die Ferne gerichtet, in einer Art Trancezustand?
  7. Kannst du auffälliges Schwitzen oder Blässe beim Verdächtigen wahrnehmen?
  8.  Befindet die Person sich auf den Fußballen? Sprung- , flucht- und angriffsbereit?

2. Orient – Orientiere dich!

Hier gilt es nun, die gewonnen Informationen gedanklich, richtig einzuordnen. Sie zu interpretieren und die entsprechenden Schlüsse daraus zu ziehen. Gibt es eine Bedrohung? Wie groß ist sie? Wie steht es um die eigenen Möglichkeiten und Fähigkeiten um die Situation erfolgreich zu meistern? Wie ist/sind, der oder die möglichen Gegner einzuschätzen? Wäre ein Kampf zu gewinnen? Eine Flucht möglich?

Hier können mitunter unterschiedliche kulturelle Hintergründe der Beteiligten eine entscheidende Rolle spielen. Wer mit Landessitten nicht vertraut ist, kann sich unabsichtlich erhebliche Probleme einhandeln, sein Gegenüber unbeabsichtigt tödlich beleidigen und zu extremen Handlungen veranlassen.

So ist es in asiatischen Ländern ratsam eine erhaltene Visitenkarte erst wegzustecken, wenn es der einheimische Gesprächspartner mit der erhaltenen ebenfalls getan hat. Die Visitenkarte ist hier mehr als ein bloßer Zettel mit Informationen. So mancher Geschäftsabschluss, ist an solchen und anderen kulturellen Besonderheiten gescheitert.

3. Decide – Triff eine Entscheidung!

Jetzt wird auf Basis der ersten beiden Phasen eine Entscheidung getroffen. Die Qualität der Entscheidung, entscheidet über die eigene Unversehrtheit, oder gar das Überleben. Entscheidest du dich für Kampf oder Flucht? Die Flucht durch die Mitte oder über den Hintereingang?

Hier hast du eventuell noch einmal die Zeit die getroffenen Entscheidungen zu kontrollieren. Der Fluchtweg übers Fenster ist besser, da der Weg dorthin unversperrt und das Risiko aus dem 1. Stock zu springen vergleichsweise geringer, als mit drei Mann zu kämpfen…

4. Act – Handle!

Die Handlung, die getroffene Entscheidung wird umgesetzt. Hier darf es kein Zögern und keine Halbheiten mehr geben. Halbherzige Aktionen in Konflikten führen zu oft fatalen Ergebnissen. Wer sich also in einer Notwehrsituation befindet oder einer die er dafür hält (nachdem er aus bestem Wissen und Gewissen entschieden hat), der muss konsequent handeln.

In einer Schlägerei darüber nachzudenken, warum du jetzt gerade angegriffen wirst, obwohl du dir keiner Schuld bewusst bist und dem Angreifer doch nichts getan hast, ist nicht zielführend. Es ist sogar kontraproduktiv, weil es dich in deiner Notwehrhandlung hindert.

  • Entschlossen!
  • Kompromisslos – im gesetzlichen Rahmen! Notwehrüberschreitungen stellen keinen Entschuldigungsgrund bzw. Rechtfertigungsgrund dar.

Fazit – taktische Konzepte für die Selbstverteidigung

Die beiden in diesem Beitrag vorgestellten taktischen Modelle zum Vermeiden und Lösen von Problemsituationen, können, so abstrakt sie anfänglich auch scheinen mögen, eine echte Hilfe sein. Sie können dir helfen, Gefahren frühzeitig zu erkennen, deine Aufmerksamkeit zu regulieren und schnell die richtigen Entscheidungen und Schlüsse zu treffen.

Wissen alleine ist aber, entgegen dem Spruch – „Wissen ist Macht!“ – nicht ausreichend.

Angewandtes Wissen ist Macht!

Und in die funktionierende Umsetzung kommst du nur über das entsprechende Training. Du solltest dieses Wissen auch praktizieren und Achtsamkeitsübungen bzw. Szenarien immer wieder gedanklich üben und durchspielen. Das lässt sich leicht in den Alltag integrieren und keine Angst.

Du musst nicht zwangsläufig paranoid werden, wenn du das in einem vernünftigen Rahmen übst. 😉

„Nur weil du paranoid bist, heißt das noch lang nicht, dass sie nicht trotzdem hinter dir her sind.“ Woody Allen

Es kann dir oder deinen Angehörigen und Freunden, aber entscheidend dabei helfen Risiken zu reduzieren und erfolgreich zu meistern.

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