Taktik und Strategie gewinnen im Boxsport auf fortgeschrittenem Niveau zunehmend an Bedeutung, sobald du die Grundlagen des Sports automatisiert hast und dein Distanzverhalten und die Reflexe geschärft sind.
Ein Boxer muss auf eine Vielzahl von Strategien und Taktiken zurückgreifen und mit unterschiedlichen Körpertypen und Boxstilen umgehen können. Er muss mit Angriffsboxern, Konterboxern, verschiedenen Körpertypen und deren Kampfweise klarkommen. Die eigenen Stärken ausspielen und gegnerische meiden.
Boxen wird nicht umsonst im Englischen etwas zynisch die „sweet Science“, die süße Wissenschaft genannt. Aug hohem Niveau spielen Strategie und Taktik die entscheidende Rolle und entscheiden darüber, wer den Kampf bestimmt und seinen Stil und seine Stärken ausspielen kann. Das gilt grundsätzlich für jede Art von Kampfsport.
Was ist der Unterschied zwischen Strategie & Taktik?
Strategie ist der Taktik übergeordnet. Langfristige Ziele werden mit einer bestimmten Strategie verfolgt und den kurzfristigen taktischen übergeordnet. Wenn du also beispielsweise deinen Gegner im Boxen gezielt ermüden willst, kannst du dazu unterschiedliche Taktiken einsetzen. Ihn in Bewegung halten, den Rhythmus brechen, verstärkt auf den Körper schlagen und ihm die Luft nehmen.
Taktiken des Angriffsboxers
Der Angriffsboxer ist im Vorwärtsgang. Er will den Kampf zum Gegner bringen, ihn permanent unter Druck setzen und stellen. Wenn er es schafft seine Taktiken erfolgreich anzuwenden, hast du ein massives Problem. Er drängt dich in die Defensive und bestimmt den Kampf. Dabei spielt er seine Stärken aus und lässt deine nicht zur Geltung kommen.
Druck übt er über Distanzkontrolle aus. Der Boxer, dem es gelingt seinen Gegner über die Distanz im Unklaren zu halten, sich ständig an der Grenze zur Schlagdistanz bewegt und von dort geringfügig rein und raus, erzeugt eine dauerhafte Bedrohung. Er nimmt seinem Kontrahenten damit die Möglichkeit aktiv zu planen und zu agieren und zwingt ihn stattdessen permanent dazu zu reagieren. Wer das im Training oder Wettkampf erlebt hat, weiß wie kraft- und nervenzehrend das ist.
Es soll sogar Leute geben, die absichtlich daneben schlagen, nur um Raum zu gewinnen. 😉
Du kommst nicht dazu eigene Angriffe aufzubauen oder auch nur für eine Sekunde zur Ruhe zu kommen. Du wirst ständig in Bewegung gehalten und bist dir nie klar darüber, ob du nun in Schlagdistanz bist oder nicht. Denn dieser Grenzgang an der Schlagdistanz ist so fein, dass du es nicht erkennen kannst.
Der Angriffsboxer schafft es damit, dich zu verunsichern und mental und körperlich auszulaugen. Du folgst seinen Bewegungen und er gibt seinen Rhythmus vor, dem du dich gezwungenermaßen anpassen musst.
Der stümperhafte Angriffsboxer
Wenn du Glück hast, sind die Fähigkeiten deines Gegners nicht sehr gut ausgeprägt. Das Wollen übersteigt sein Können. Er greift unvorbereitet und ungestüm an, ist in seinen Aktionen berechenbar und leicht zu lesen. Möglicherweise will er seine Schlaghand direkt und unvorbereitet ins Ziel bringen und lehnt sich auch noch in die Schläge, um mehr Kraft und Reichweite zu erzielen.
Das macht ihn dann zum Lieblingsgegner routinierter Konterboxer, die diese Fehler gnadenlos ausnützen können und werden.
Der routinierte Angriffsboxer
Bereitet seine Aktionen gezielt vor, stürmt nicht unkontrolliert in Konter, sondern zermürbt seine Gegner durch permanenten Druck und erzwingt damit Fehler. Sein Ziel ist es, den Gegner in Bewegung zu halten und ihn an den Seilen oder im Ringeck zu stellen.
Übersicht-Taktiken des Angriffsboxers:
- Druck aufbauen und halten.
- Distanz kontrollieren – Gegner darüber im Unklaren lassen.
- Den Gegner stellen und an den Seilen oder im Ringeck festnageln.
- Den Gegner im Ansatz am Aufbau eigener Angriffe hindern. Nicht zur Ruhe kommen lassen.
Der Konterboxer
Der Konterboxer ist quasi der natürliche Feind des Angriffsboxers und umgekehrt. Der Konterboxer ist höflich, gibt dem Angreifer den Vortritt, hat aber die entsprechenden Antworten parat. Der Jab ist seine Hauptwaffe, den er nutzt, um Distanz zu wahren, zu stören, zu kontern und Kombinationen vorzubereiten.
Der Jab ist der wichtigste Schlag im Boxen. Mit ihm kannst du die Distanz abtasten, Sicht, Timing und Gleichgewicht des Gegners stören und nach sichern, wenn du dich aus der Distanz hinausbewegst.
Er weiß, wie er den Ring nutzen muss und lässt sich nicht an den Seilen oder im Ringeck stellen. Falls es doch passiert, verfügt er über geeignete Taktiken, den Angreifer am Setzen effektiver Treffer zu hindern. Das kann über Clinchen aber auch manövrieren und meiden auf engstem Raum geschehen.
Natürlich gibt es auch hier wieder Kriterien, die einen guten Konterboxer von einem schlechten unterscheiden. Wer ständig auf der Flucht ist, nicht angreift und versucht sich mit Schlägen einfach nur auf Distanz zu halten, muss nicht unbedingt ein Konterboxer sein.
Grundlegende Fähigkeiten, wie Distanzverhalten, Beinarbeit und vorteilhafte Winkel zum Gegner zu schaffen und nicht zuletzt ein mehr oder weniger gutes Nervenkostüm unterscheiden den routinierten Kämpfer vom routinierten.
Übersicht-Taktiken des Konterboxers:
- Geduld und starke Nerven: Lässt sich nicht zu überstürzten Aktionen verleiten.
- Nutzt Schrittarbeit, Winkel und den Ring und lässt sich nicht stellen. Winkeln bedeutet, sich nicht auf der Verbindungslinie zum Gegner zu bewegen. Also seitlich raus und nicht gerade zurück. So reduzierst du den Angriffsdruck. Der Gegner muss sich immer wieder neu auf dich ausrichten und kann nicht gerade vorlaufen und dich stellen.
- Setzt verstärkt den Jab ein, um zu stören, zu verunsichern und sicher aus der Schlagdistanz zu kommen.
- Nutzt Finten, um den Angriffsdruck zu brechen.
- Gegen gerade anstürmende Gegner, Schläge entgegen dessen Bewegungsrichtung setzen. So addiert sich die Wucht des Schlages mit seiner Vorwärtsbewegung. Im Zweifelsfall zum Körper schlagen, der ist leichter zu treffen, als der Kopf. Dabei seitlich raus winkeln!
- Reaction Punches: Sobald du den Schlag an deiner Deckung spürst, löst du den Konter aus. Die Chancen stehen gut, den Gegner zu treffen, bevor er seine Deckung wieder eingenommen oder gemieden hat. Der Vorteil du reagierst auf die Berührung und nicht optisch, so kannst du schneller kontern.
- Distanz: Du gibts Raum frei, lässt den Angreifer aber dafür bezahlen.
- Rein – raus: Kontern und wieder die Schlagdistanz verlassen. In Bewegung bleiben, kein statisches Ziel bieten.
Taktiken bei unterschiedlichen Körpertypen im Boxen
Jeder Mensch hat seine körperlichen und charakterlichen Eigenheiten. Der Körperbau und die genetischen Anlagen sind mitentscheiden für die Art der Kampfführung und des individuellen Stiles. Der kleinere Mann wird schwer auf Distanz boxen können. Dazu sind seine Arme zu kurz und er wird getroffen ohne selbst treffen zu können. Für ihn gilt es möglichst sicher in die Nah- und Mitteldistanz zu kommen.
Wie boxe ich gegen einen größeren Gegner?
Der größere Boxer wird nicht den Infight mit einem kleineren suchen. Seine Arme sind zu lang, um in der kurzen Distanz auch nur einigermaßen mit dem kleinen „Wühler“ mit schlagen zu können.
Stell dir Tyson gegen Klitschko vor, mit vertauschten Taktiken und Strategien vor. Während Tyson lang boxt, versucht Klitschko alles, um in den Infight zu kommen. Das wäre bestimmt ein interessanter Kampf. Ich bin mir relativ sicher, dass sich keiner der beiden für so ein Experiment zur Verfügung gestellt hätte.
Oder wie ein Freund mal, nach einem sehr kurzen MMA Kampf gesagt hat: Mit Kettenfauststößen gegen einen Boxer vorgehen, das muss man sich mal erst trauen. In der Theorie mag die Gerade als kürzeste Verbindung zwischen zwei Punkten ja immer schneller sein als Haken. Warum aber treffen dann Haken immer wieder entscheidend? Beschäftigt sich denn keiner der Kämpfer mit Geometrie, Mathematik und physikalischen Grundgesetzen? 😉
Fazit Taktik und Strategie im Boxen
Auf einer guten Grundschule aufbauend, gewinnen Strategie und Taktik im Boxen eine immer wichtigere Rolle. Es gilt, die eigenen Stärken zu nutzen und die des Gegners zu vermeiden. Körperbau, Talent und Persönlichkeit der Boxer spielen bei der Entwicklung des eigenen Kampfstils und den damit verbundenen Taktiken eine entscheidende Rolle.
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