Niemand redet gerne darüber, aber jeder kennt das Gefühl der Angst, Unsicherheit und Selbstzweifel. Es ist völlig normal, unter bestimmten Umständen so zu empfinden. Den Feigling und den Helden unterscheiden letztendlich nur, wie er mit seinen Ängsten umgeht. Nutzt du die Angst für dich und lässt du dich antreiben oder hemmen?
Angst im Kampfsport ist ein Gefühl, das jeder gesunde Mensch in bestimmten Situationen empfindet. Wer lernt, seine Angst zu kanalisieren, kann sie zu seinem Vorteil nutzen. Gelingt es dem Kämpfer, seine Ängste in kontrollierte Aggression umzusetzen, wird er zum Alptraum für seinen Gegner.
Auch Iron Mike Tyson, einer der gefürchtetsten K.O Schläger aller Zeiten im Boxsport, litt unter großen Ängsten vor seinen Kämpfen
Video Mike Tyson weint vor einem Kampf
Einer der besten Boxer der Geschichte heult vor einem Kampf. Der künftige Weltmeister im Schwergewicht muss von einem seiner damaligen Trainer Teddy Atlas beruhigt werden. Mike hatte damals an die zwanzig Kämpfe hinter sich, trotzdem hatte er massiv mit seinen Ängsten zu kämpfen.
Tysons Entdecker und Trainer Cus D`Amato über Angst
Cus D`Amato on fear : „Fear has to be controlled!“
Ein Held und ein Feigling fühlen beide das Gleiche. Was sie unterscheidet, ist ihr Umgang mit der Furcht.
Angst ist etwas Natürliches, jeder außer Psychopathen empfindet Angst. Cus vergleicht die Angst mit Feuer. Beide sind nützliche, wenn sie kontrolliert werden können und beide können verheerend sein, wenn sie außer Kontrolle geraten.
Mike Tyson gelang es, seine Ängste in Aggression umzuwandeln. Die Angst, zu seinem Freund zu machen.
So wurde er zu einem der gefürchtetsten Ko – Schläger aller Zeiten und brachte Cus D`Amatos Peek a Boo Stil so nahe an die Perfektion, wie nur menschenmöglich.
Cus trainierte Floyd Patterson und machte ihn zum damals jüngsten Schwergewichts Weltmeister im Boxen. Diesen Rekord brach er erneut mit Tyson. Der Peek a Boo Stil ist ein defensiver Stil.
Er betont Meidbewegungen, setzt auf eine starke Verteidigung, wechselt oft die Auslage und ist nur für äußerst fitte und starke Boxer geeignet. Der Stil baut auf Schlagkraft. Tyson trainierte in Catskill New York.
Was ist Angst, was ist Furcht?
Angst ist unspezifisch. Furcht bezieht sich auf etwas Bestimmtes. Wir werden im folgenden Angst und Furcht aber synonym gebrauchen, da es sich in der Umgangssprache so eingebürgert hat.
Was läuft körperlich ab?
- Fight – Kampf
- Flight – Flucht
- Freeze – Angststarre
Angst löst im Körper Stressreaktionen aus. Er bereitet sich so auf Kampf oder Flucht vor, mobilisiert seine Energiereserven und reduziert weniger wichtige Körperfunktionen.
So lässt sich das Bauchgefühl, wie die sprichwörtlichen Schmetterlinge im Bauch, erklären. Die Blutzufuhr zu den Verdauungsorganen wird eingeschränkt, währenddessen die Muskulatur auf maximale Leistungen vorbereitet wird.
Ein ganzer Hormoncocktail sorgt für erhöhte körperliche Leistungsfähigkeit und verringerte Schmerzempfindlichkeit.
Bleibt ein Mensch zu lange im Zustand dieser Alarmbereitschaft, kann es zum sogenannten „Einfrieren“ kommen. Er verliert seine Handlungsfähigkeit und verfällt in eine Angststarre.
Bei Begegnung mit bestimmten Wildtieren ist das eine in der Evolution sinnvolle, oft lebensrettende Strategie. In einer Auseinandersetzung unter Menschen ist das möglicherweise fatal.
Umso mehr ist es notwendig, Angst, Furcht und Spannungen zu kontrollieren. Das gilt sowohl für den Sport, das Leben und Kampf allgemein.
Der richtige Umgang mit Angst und deren Kontrolle
Durch das Erreichen eines bestimmten, den Anforderungen angepassten Erregungsniveaus kann Angst konstruktiv genutzt werden. Dies kann durch Aktivierung oder Beruhigung geschehen. Es geht darum, einen optimalen Leistungszustand gezielt erreichen und herstellen zu können. Dazu gibt es verschiedene Methoden, die sich bewährt haben.
Gemeinsam ist ihnen: Sie benötigen Übung.
Welche Strategien gibt es gegen Angst?
Es gibt verschiedene Strategien im Umgang mit der Angst, die man sich zunutze machen kann. Desensibilisieren, rationalisieren und visualisieren können helfen, die Angstreaktion zu reduzieren und mit der Angst umzugehen.
Desensibilisierung
Durch schrittweise Gewöhnung an schwierige, herausfordernde Situationen. Im Kampfsport kann das graduell intensiver und härteres werdendes Sparring bis hin zum Vollkontakt Wettkampf sein.
Im Selbstverteidigungstraining gibt es eine Vielzahl an Übungen, um den Trainierenden an einen möglichen Ernstfall heranzuführen. Unterschiedliche Szenarien, die bewältigt werden müssen und den Durchhaltewillen stärken, sowie zielgerichtetes Sparring wären hier zu nennen.
Wichtig ist aber klar zu sagen, der Ernstfall kann aus rechtlichen, Vernunft- und Sicherheitsgründen nicht zu 100 Prozent simuliert werden. Eine gut durchdachte Vorbereitung erhöht nichtsdestotrotz die Erfolgschancen gewaltig.
Rationalisierung
Im Vorfeld überlegst du dir Gründe, welche angstauslösenden Bedenken gerechtfertigt sind, welche nicht und wie du mit ihnen am besten umgehen kannst. In Stresssituationen, wenn das Denken eingeschränkt ist und Zeitdruck herrscht, ist das nur mehr sehr schwer möglich.
Visualisierung
Du kannst dir Situationen deiner Wahl vor deinem inneren Auge vorstellen und ablaufen lassen. Mit dieser Methode erreichst du eine gewisse Gewöhnung an vergleichbare Situationen, auch wenn du diese nie in der Realität erlebt hast.
Mit Visualisierungen kannst du dich sozusagen auf Erfolg programmieren und gewisse Handlungsroutinen etablieren, die dann automatisch abrufbar sind. Mit dieser Strategie reduziert du den Entscheidungsstress und kannst so schneller und effektiver handeln.
Beispiel:
Du stellst dir eine bestimmte, herausfordernde Situation vor. Nutze alle deine Sinne. Deine Vorstellung muss so realistisch wie möglich sein. Was hörst du? Was siehst du? Wie sind die Gerüche? Wie ist dein Körpergefühl? Auf welche Weise möchtest du diese Situation durchleben?
Danach formst du in deiner Vorstellung einen inneren Film. Diesen Film kannst du mit entsprechender Musik unterlegen, mit Farben, die dich positiv stimmen, mutig machen, was auch immer.
Dann spielst du das von dir gewählte Szenario in deiner Vorstellung immer wieder durch. Mit dem gewünschten Ausgang. Das kannst du über Tage, Wochen oder Monate verteilt machen. Dein Gehirn unterscheidet nicht zwischen Realität und Vorstellung. Das kannst du ganz gezielt nutzen.
Am Ende dieser Übungen wirst du einen ganz anderen Zugang zur Ausgangssituation haben und diese erfolgreich bewältigen können. Sportler und besonders Kampfsportler nutzen diese Methoden sehr bewusst. Du kannst diese aber prinzipiell in allen Bereichen des Lebens nutzen.
Ankertechnik
Eine Technik aus dem Neurolinguistischen Programmieren. (NLP) Du verbindest einen emotionalen Zustand mit einem äußeren Reiz. Jeder kennt das. Das Gefühl, das aufkommt, wenn man ein bestimmtes Lied hört, mit dem man persönliche Erinnerungen verbindet, oder auch Gerüche aus der Kindheit, die man intensiv erlebt hat.
Dieses Phänomen kannst du gezielt zu deinem Vorteil nutzen, um gewünschte Gefühlszustände abrufbar zu machen. Den Auslöser bestätigst du dabei selbst.
In Angstsituationen kannst du so gezielt Gefühle wie Mut, Entschlossenheit, Ruhe oder Kraft aufrufen. Natürlich kannst du diese Ankertechnik in dein Selbstverteidigungs- und Kampfsporttraining integrieren, als Teil der mentalen Vorbereitungen.
Gründliche Vorbereitung auf die kommenden Anforderungen
Wer weiß, dass er sich bestmöglich vorbereitet hat, wird naturgemäß positiver und zuversichtlicher an Herausforderungen herantreten. Aus gutem Grund. Das Gegenteil gilt ebenso.
Mentale Vorbereitung
Cus D Amato schickte Mike Tyson regelmäßig in Hypnosesitzungen und übernahm das „Kommando“ nachdem der Arzt die Hypnose induziert hatte. Nach Cus Ansicht, sind 75 % des Boxsportes mentaler Natur. Die richtigen Einstellungen und der unbedingte Wille zum Sieg waren das, was ganz große Champions auszeichnete.
Tyson auf die Frage eines Reporters:
„Was, wenn du den Kampf verlierst?“ – „Darüber habe ich noch nie nachgedacht.“
Eine Niederlage kam für ihn nicht infrage. Er konnte und wollte sich das gar nicht vorstellen.
Atmung:
Empfehlung: Combat breather App
Die App hilft dir wieder ruhig und handlungsfähig zu werden, indem du mit ihr eine auch von Soldaten genutzte Atemmethode erlernst. Wenn du das regelmäßig trainierst, kann diese Methode eine echte Hilfe sein und Leben retten.
Fazit – Angst im Kampfsport/Selbstverteidigung
Was kannst du daraus mitnehmen und lernen im Umgang mit Angst?
Angst/Furcht ist keine Schande, sondern Teil der von der Natur vorgesehenen Überlebensstrategien. Wenn du dich mit den Auswirkungen von Angst bekannt machst, lernst du diese besser zu verstehen und mit ihr umzugehen. Du kannst verschiedene Techniken zur Angst und Kontrolle des Aktivierungsniveaus nutzen.
Diese Techniken sind Praxis-bewährt und finden sowohl in der Sportpsychologie, als auch im polizeilichen/militärischen Bereich Verwendung. Grundsätzlich kannst du die Angst zu deinem Verbündeten machen, wenn du lernst, sie zu kontrollieren.
Das gezielte Trainieren und Entwickeln der mentalen Stärke ist ein wichtiger Bestandteil des Mentaltrainings für Boxer und Kampfsportler. Wie du das für dich umsetzen kannst, erfährst du hier.
Viel Spaß beim Training!