Das Progressive Fighting System ist eine auf die Selbstverteidigung und den Straßenkampf ausgerichtete Selbstverteidigungsmethode.
Das Progressive Fighting System, (PFS) wurde 1983 von Paul Vunak gegründet. Es basiert auf dem Jeet Kune Do, Bruce Lees, den philippinischen Kampfkünsten (Inosanto Kali). Elemente aus dem Gracie Jiu-Jitsu, sowie den Mixed Martial Arts machen es zu einem kompromisslosen Straßenkampfsystem.
Paul Vunak hat als Schüler von Dan Inosanto, einem Schüler und Trainingspartner von Bruce Lee im PFS seinen eigenen Stil geschaffen. Seine Ideen und Konzepte sehen wir uns in diesem Beitrag näher an.
Die Geschichte des Progressive Fighting Systems
Um die Entwicklung des PFS zu verstehen, müssen wir uns die sportlichen Hintergründe seines Gründers, des US-Amerikaners Paul Vunak genauer ansehen.
Paul Vunak und seine Lehrer
Vunak geboren 1960, wurde mit 16 Jahren Schüler von Dan Inosanto. Er hat mehr als 50 Lehr-DVDs produziert und Bücher geschrieben.
Sein Lehrer Dan Inosanto ist, in der Kampfkunstwelt als Schüler und Trainingspartner Bruce Lees, weltbekannt. Er hat auch in Bruce Filmen mitgewirkt.
Der philippinisch stämmige Inosanto, war nicht nur einer der wenigen, die direkt über viele Jahre Bruce Lees Kampfkunst, das Jeet Kune Do aus erster Hand erlernen konnte, sondern er hatte auch Zugang zu den Kampfmethoden der Philippiner. So konnte der unter anderem von Edgar Sulite, dem Gründer des Lameco Stiles persönlich lernen.
Inosanto entwickelt später seinen eigenen Stil, den er Inosanto Kali nannte.
Paul Vunak konnte so aus erster Hand, von Dan Inosanto Jeet Kune Do und dessen Interpretation der philippinische Kampfkünste, erlernen.
Im Jahr 1983 gründete Paul Vunak dann seine eigene Organisation und nannte seinen Stil Progressive Fighting System. (PFS)
Von 1988 bis 1991 unterrichtete Vunak das US-Militär, das FBI, die DEA und Polizeibehörden. Zu seinen bekanntesten Klienten zählten die US Marines und Navy Seals.
Später übergab Vunak die Aufgabe, das US-Militär zu unterrichten, an seine ausgebildeten Full Instructors, wie Pat Bagley, Pat Fach und Frank Cucci weiter.
Welche Stile beeinflussten das Progressive Fighting System?
Das Progressive Fighting System (PFS) kombiniert die effektivsten Techniken aus verschiedenen Kampfkunststilen und Selbstverteidigungssystemen. Beeinflusst wurde es durch die Kampfkunstphilosophie und -techniken von Bruce Lee sowie durch verschiedene Kampfkünste wie Filipino Martial Arts, Muay Thai, Boxen und Grappling-Systeme.
Jeet Kune Do (JKD) die Kampkunst Bruce Lees
Das PFS hat Einflüsse aus den verschiedensten Systemen aufgenommen und daraus ein auf Konzepten basierendes System geschaffen. Wesentlichen Einfluss hatten das JKD, das chinesische Wing Chun unter Ip Man, das westliche Boxen, das Fechten, das französische Savate und das Muay Thai. So finden sich im PFS das Chi Sao (Energy Drills), die klebenden Hände aus dem Wing Chun und die stiltypischen Kettenfauststöße (Straight Blast) wieder.
Inosanto Kali – philippinische Einflüsse ins PFS
Als philippinisch stämmiger Amerikaner hatte Dan Inosanto, beste Kontakte zu den Philippinern, in Stockton, Kalifornien. Die Philippinischen Kampfkünste (FMA) sind für ihre Effektivität und ihren Realitätsbezug bekannt. Oder vorsichtiger ausgedrückt, nicht alle, aber viele. Moderne Entwicklungen und die damit einhergehende Kommerzialisierungen haben auch den FMA nicht immer gutgetan, was den Realitätsbezug anbelangt.
Die Kampfkunst Bruce Lees, ist selbst ein Hybrid, aus unterschiedlichen Kampfkünsten.
Einer der Lehrer von Inosanto war der große Edgar Sulite, der den Lameco Stil begründete. Inosanto stand aber auch im regen Austausch mit anderen Meistern, der philippinischen Kampfkünste, die miteinander trainierten und einen offenen Umgang miteinander pflegten.
Der Schwerpunkt in den FMA liegt im Waffenkampf. Dazu werden alle denkbaren Arten von stumpfen und scharfen Waffen genutzt. Die waffenlosen Konzepte in den FMA basieren auf den Erfahrungen mit Waffen.
Gracie Jiu-Jitsu
Das Gracie Jiu-Jitsu hat zur Bekanntheit des Brazilian Jiu-Jitsu (BJJ) wie kein anderes System beigetragen. Es wurde in den ersten UFCs (Ultimate fighting Championships) weltberühmt und gilt als eines der effektivsten Bodenkampfsysteme weltweit. Mittels Gelenkhebel und Würgegriffen werden die Gegner am Boden zur Aufgabe gezwungen oder in allerhöchster Not, bewusstlos gewürgt oder durch Knochenbrüche schwer verletzt und kampfunfähig gemacht.
Das BJJ ist aus den modernen Mixed Martial Arts nicht mehr wegzudenken.
Mixed Martial Arts (MMA)
Die Mixed Martial Arts kombinieren alle möglichen Kampfkünste und Kampfsportarten und kämpfen waffenlos in allen Distanzen. Von der Tritt- und Schlagdistanz, ins Ringen und Clinchen, bis zum Bodenkampf, wird im MMA alles abgedeckt.
Obwohl es für den Laien nach einer völlig chaotischen, unlimitierten Schlägerei aussehen mag, unterliegt der Sport einem strengen Regelwerk, das die Sicherheit der Sportler gewährleisten soll. Es handelt sich somit nicht um regellose Kämpfe.
Kinamutai
Das Kinamutai vereint alles, was im Sport verboten ist, in einem System. Also keine Sorge.
Das Progressive Fighting System nimmt sich der Schwächen der MMA an und hat Beißattacken, Angriffe auf die Augen, den Genitalbereich und andere „Schmankerln“ fix im Programm. 😉
Vunak lehrt in diesem Zusammenhang, Beiß – Bodendrills und den optimalen Übergang vom Kopfstoß zum Beißen und Fleisch herausreißen. Ich übertreibe nicht. In einem Video macht er sich sogar über ein Stück rohes Fleisch her.
Ich bin mir allerdings nicht sicher, ob Paul es damit wirklich ernst meint. Er ist ein durchaus humorvoller Mensch und weiß auch wie er Werbung machen muss. Deinen Gegner im Ernstfall zu beißen ist etwas, was du im Training, so denke ich, nicht zu üben brauchst.
Die Konzepte im Progressive Fighting System – R.A.T.
Das Progressive Fighting System (PFS) basiert auf einfachen, direkten und realistischen Techniken und Konzepten. Es passt sich an unterschiedliche Situationen und Gegner an. Der Schwerpunkt liegt auf schnellen Aktionen, überraschenden Angriffen und asymmetrischer Gewalt in Selbstverteidigungssituationen.
R.A.T. Rapid Assault Tactics
Das R.A.T. bedeutet übersetzt „schnelle (überraschende) Überfalls/Angriffstaktiken“. Es geht also darum, schnell zum Gegenangriff überzugehen und den Angreifer in die Defensive zu drängen.
Das ist ganz grundsätzlich eine gute und bewährte Idee. Nur einer kann der Angreifer sein, in dem Mindset es gibt nur Opfer und Beute.
Die drei wichtigsten Dinge, die Vunak von seinem Lehrer gelernt hat, sind seiner Aussage nach:
- Du musst nicht selbst Kickboxen, um gegen einen schlagenden und/oder tretenden Angreifer zu bestehen.
- Mit dem Straight Blast, kannst du die meisten, aber nicht jeden Gegner umhauen.
- Mit der richtigen Vorgehensweise im Clinch, kannst du den Rest erledigen.
Asymmetrische Gewalt
Asymmetrisch Gewalt, wie sie Paul Vunak in seinem System versteht, bedeutet es, den Kampf auf ein, wenn aus seiner Sicht notwendig, kaum vorstellbares Level an Gewalt zu heben.
Das ist in Notwehrsituationen, in denen es um das Leben, die Gesundheit oder andere notwehrfähige Rechtsgüter geht, vernünftig und gesetzlich gedeckt. Sofern es erforderlich ist, den Angreifer zu stoppen. Alles, was darüber hinausgeht, stellt allerdings eine Notwehrüberschreitung dar und ist grundsätzlich strafbar.
Grundsätzlich kannst du dir alles darunter vorstellen, was in sportlichen Wettkämpfen verboten ist, in Notwehrsituationen aber hilfreich sein kann.
Der Eye Jab
Die Technik wurde durch Bruce Lee bekannt. Den Eye Jab gibt es vermutlich genauso lange, wie es menschliche Auseinandersetzungen gibt. Es ist ein Angriff auf die Augen des Gegners, die gezielt als Störtechnik eingesetzt wird, um den Gegner zu irritieren oder um ihn schwer an den Augen zu verletzen.
Diese Vorgehensweise, die zu schweren Augenverletzungen, bis hin zur Erblindung führen kann, ist nur in Extremsituationen gerechtfertigt.
Der Eye Jab ist eine wirksame Technik, sich alleine auf ihn zu verlassen ist aber nicht angeraten. Immer wieder sehe ich Instruktoren, die das tun und dann alles fallen lassen, in der Überzeugung der Kampf wäre vorbei. Das ist falsch, gefährlich und unrealistisch.
Klug ist, wer trotzdem die Deckung oben behält und nach sichert. Das kann durch Folgeaktionen oder Schrittarbeit geschehen.
Eye Jab – Kampf vorbei!
Möglicherweise Kollege, deinen Hintern und schon gar nicht die Hintern deiner Schüler, solltest du aber nicht darauf setzen! 😉 Das ist schlicht und einfach verantwortungslos. Punkt. Aus diesem Grund werde ich dir hier auch keine Bühne bieten und Videos von dir hier verlinken.
Das hast du auch nicht nötig.
Ich auch nicht.
Das Trapping
Das Trapping entstammt dem Jeet Kune Do und das ist wiederum auf Konzepte des chinesischen Wing Chun zurückzuführen. Beim Trapping werden die gegnerischen Arme „eingefangen“ und mittels taktiler, antrainierter Reaktionen, vorteilhafte Positionen und Eingänge in weiterführende Techniken geschaffen.
Als Trainingsmethoden dienen das Chi Sao und Lat Sao.
Der Straight Blast
Es geht Vunak darum, den Angreifer, auch wenn er ein besserer Kämpfer wäre, zu überraschen und derart in Bedrängnis zu bringen, dass er seinerseits zu keiner Offensive mehr fähig ist, weil er mit der Situation überfordert wird.
Der Straight Blast setzt auf eine Überforderung des gegnerischen Nervensystems, durch miteinander verkettete Angriffe. Die Angriffe finden mit massivem Vorwärtsdruck statt, der Gegner wird, im wahrsten Sinn des Wortes, überrannt. Der Ursprung dieses Konzepts liegt ganz klar im Wing Chun. Wing Chun ist ja eines der maßgeblichen Systeme, die Bruce Lees Jeet Kune Do beeinflusst haben.
Kettenfauststöße im Progressive Fighting System
Kettenfauststöße sind gerade Fauststöße, die auf der sogenannten Zentrallinie, der Verbindungslinie vom eigenen Brustbein, bis zum Brustbein des Gegners ausgeführt werden. Sie sind zwar nicht besonders wuchtig, können aber in schneller zeitlicher Abfolge hintereinander geschlagen werden.
In Verbindung mit einem „Vorwärtsgang“ kann es gelingen einen Angreifer damit zu überrennen. Verkürzt sich die Distanz, kommen Ellenbogen und andere Nahdistanztechniken ins Spiel.
Der Clinch im PFS
Im Thaiboxen, dem Muay Thai, gibt es eine ausgeklügelte Clinch-Arbeit. Dabei werden überwiegend Knietechniken, in Verbindung mit Beinfegern und Würfen genutzt. Der sogenannte Thai Clinch ist äußerst effektiv, wobei neben dem technischen Aspekt, Gewicht und Kraft der Kontrahenten auch eine nicht unwesentliche Rolle einnehmen.
Der Clinch im PFS wird mit Kopfstößen und wie könnte es anders sein, mit Bissen verfeinert. 😉
Bodenkampf – BJJ + Beißen
Im Bodenkampf greift das PFS auf das Gracie Jiu-Jitsu zurück. Der Bodenkampf spielt in der Selbstverteidigung eine wichtige, aber untergeordnete Rolle. Es ist wichtig, sich mit der Thematik auseinanderzusetzen. Sie darf allerdings nicht zum Selbstzweck werden, sondern soll helfen das zu Boden gehen zu vermeiden und falls es doch passiert, so schnell als möglich wieder aufzustehen.
Waffen im Progressive Fighting System
Durch das Inosanto Kali kam Paul Vunak mit den philippinischen Kampfkünsten in Kontakt. Training mit Messern, unterschiedlicher Länge, Stöcken und Alltagsgegenständen aller Art, die als Behelfswaffen benutzt werden, sind Teil des PFS.
Ist das Progressive Fighting System zur Selbstverteidigung geeignet?
Das Progressive Fighting System ist als Selbstverteidigungssystem konzipiert. Es ist mit entsprechendem Training sicherlich zur Verteidigung gut geeignet und deckt alle Kampfdistanzen ab.
Inwieweit gewisse Strategien, wie der Straight Blast, mit der geltenden Rechtslage vereinbar sind, werden Juristen von Fall zu Fall beurteilen müssen. Einen Schlaghagel auf den Gegner abzulassen ist aus juristisches Sicht eher problematisch, da dann stets der Verdacht der Notwehrüberschreitung im Raum steht.
Für Behörden, ist eine solche Vorgehensweise schlicht und einfach nicht denkbar.
Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit wird es im Progressive Fighting System ein an die jeweiligen Anforderungen der Behörden angepasstes Programm geben. Ein Programm, das Gewalt maßvoll und verhältnismäßig einsetzt (sanfte Mittel), um Menschen festzunehmen oder festzuhalten.
Wer darüber konkret mehr weiß, möge bitte unten kommentieren.
Fazit – Progressive Fighting System
Das Progressive Fighting System ist das Kampfsystem von Paul Vunak. Vunak kann mittlerweile zu den Altmeistern und Vorreitern moderner hybrider Selbstverteidigungssysteme gezählt werde. Er steht in einer Reihe mit Bruce Lee und Dan Inosanto.
Vunak bildet auch heute noch Instruktoren aus, die weltweit unterrichten. Die Instruktoren Ausbildung ist allerdings nicht ganz billig und an eine US-Reise gebunden.
Wer Erfahrungen mit dem PFS gemacht hat, ist herzlich eingeladen hier zu kommentieren!
Viel Spaß beim Training!