Es ist leider keine Seltenheit mehr, oft schon die Regel, dass mehrere Aggressoren sich ein Opfer, oder eine kleinere Personengruppe aussuchen und angreifen. Für die Verteidiger in numerischer Unterlegenheit stehen die Chancen schlecht.
Erfolgreiche Selbstverteidigung gegen mehrere Angreifer ist nicht aussichtslos, aber auch für Kämpfer nur sehr schwer machbar. Der Verteidiger muss alles richtig machen und absolut entschlossen vorgehen. Die beste Verteidigung ist Achtsamkeit im Vorfeld und Flucht bei erster Gelegenheit.
Es gibt Leute, die sich tatsächlich gegen eine Übermacht von Angreifern erfolgreich gewehrt haben. Das ist für Freunde von Hollywoodfilmen vielleicht keine Überraschung. Menschen, die sich ernsthaft mit dem Phänomen Kampf auseinandersetzen, wissen, aber wie schwer und unwahrscheinlich das in der Realität ist.
Wir sehen uns in diesem Beitrag an, unter welchen Voraussetzungen das möglich ist und wie du noch das beste aus einer an sich hoffnungslosen Situation herausholen kannst.
So verteidigst du dich gegen mehrere Angreifer
Die klügste Strategie, auch gegen mehrere Angreifer, ist die Vermeidung von Konfrontationen. Das frühzeitige Erkennen von Gefahrensituationen erhöht die Wahrscheinlichkeit, ihnen rechtzeitig ausweichen zu können und jeglichen Kontakt zu vermeiden.
Durch wohlüberlegtes, vorausschauendes Verhalten im Alltag kannst du die Wahrscheinlichkeit in eine solche Situation zu kommen deutlich verringern. Du weißt, in einer bestimmten Umgebung wird es zu bestimmten Zeiten gefährlich. Es sind Gruppen unterwegs, die Ärger suchen? Dann nimm einen Umweg und meide diese Gefahrenzonen, soweit es dir möglich ist. Du gehst auch nachts durch den Park? Du hast schließlich einen Selbstverteidigungskurs besucht.
Selbstvertrauen ist gut und verringert die Wahrscheinlichkeit, zum Opfer zu werden. Falsches Selbstbewusstsein ist gefährlich.
Lösung: Lerne dich und deine Umgebung richtig einzuschätzen.
Höre auf dein Bauchgefühl und unterdrücke es nicht. Dein Unterbewusstsein weiß in der Regel mehr als dir bewusst ist. Solltest du ein ungutes Gefühl verspüren, wechsle die Straßenseite, gehe einen Umweg, ziehe dich in ein Geschäft oder Lokal zurück. Tue alles, was nötig ist, um potentielle Gefahrensituationen im Vorfeld zu vermeiden.
Am Beispiel des Cooper Codes kannst du lernen, wie du deine Aufmerksamkeit abhängig von der Situation und Umgebung regulieren solltest. Das hilft dir, böse Überraschungen zu vermeiden und auf die Situation entsprechend zu reagieren.
Mehr über den Cooper Code.
Das Interview-Selbstverteidigung gegen mehrere Angreifer
Sucht ein potentieller Gefährder oder eine verdächtige Personengruppe das „Gespräch“ mit dir, machst du dich am besten unauffällig davon. Du legst dir im Vorfeld Handlungsroutinen fest, die du dann automatisiert abspulst. Der demonstrative Blick auf die Uhr begleitet mit Worten wie – ich bin zu spät – dienen der Tarnung. Das Motto lautet. So schnell wie möglich aus der Gefahrenzone, ohne offensichtlich zu flüchten und sich damit als Beute interessant zu machen.
Lasse dich nicht auf Gespräche ein. Die Gruppe wird es nutzen, um dich als mögliches Opfer unter die Lupe zu nehmen. Du kommst so in die engere Wahl und das willst du bestimmt nicht. Auf Provokationen solltest du nicht reagieren, auch wenn es schwer und mit deinem Stolz kaum vereinbar ist. Ein jüngst vergangener Vorfall in Deutschland, wo ein Feuerwehrmann auf dem Rückweg vom Weihnachtsmarkt totgeschlagen wurde, muss als warnendes Beispiel dienen. Er hat auf Provokationen der Gruppe reagiert und wurde von der Seite angegriffen. Er verstarb kurz danach.
Selbstverteidigung gegen mehrere Angreifer – Verhandeln?
Solltest du bereits in das unerwünschte Gespräch mit einer Personengruppe gekommen sein, solltest du:
- Höflich bleiben!
- Die Personen siezten.
- Ruhe ausstrahlen.
- Dich nicht provozieren lassen.
- Selbstbewusstsein und Stärke ausstrahlen.
- Distanz halten.
- Lass dich nicht einkreisen.
- Nutze peripheres Sehen, um alle im Auge zu behalten. Das benötigt Übung und ist leichter gesagt als getan, da die heftige Adrenalinausschüttung für ein verringertes Sehfeld sorgt. (Tunnelblick)
Das ist natürlich leichter gesagt als getan. Es sind aber die vielversprechendsten und sinnvollsten Verhaltensweisen, Eskalationen zu vermeiden. Das ist selbstverständlich nicht immer möglich. Schläger und Messerstecher werden sich nicht immer von ihrem Vorhaben abbringen lassen. Aber du willst deine Überlebenschancen maximieren. Du wirst also dein Bestes geben, um heil davonzukommen.
Falls es sich um einen räuberischen Diebstahl handelt. Gib deine Wertsachen ab. Sie sind dein Leben und deine Gesundheit nicht wert und die Chancen gegen mehrere Angreifer körperlich zu bestehen, sind auch für trainierte Kämpfer schlecht. Oft suchen bestimmte Personengruppen aber ein Opfer.
Jemanden, an dem sie sich aus was für Gründen auch immer abreagieren können. Ihre Wut, Frustration oder auch sadistische Ader ausleben zu können. Dann wird es zu einem Angriff kommen, egal wie gut die verhandelt hast und wie selbstsicher du aufgetreten bist.
Code Red – Angriff steht unmittelbar bevor oder ist bereits im Gange
Mir wird gerade selbst beim Schreiben mulmig. Viele dieser Angriffe, gerade aus Gruppen heraus, enden mit schwerverletzten oder toten Opfern. Die Angreifer fühlen sich nicht nur zu Recht in der Gruppe körperlich überlegen, sondern die individuelle Gewissensentscheidung wird dem „Gruppengeist“ untergeordnet.
Selbst Leute, die nicht gewalttätig sind und im Normalfall Hemmungen hätten, werden oft durch die Gruppendynamik mitgerissen. Abgesehen davon ist aber nicht unbedingt davon auszugehen, dass sich ein übergroßer Anteil an Pazifisten in solchen Gruppen befindet. Das macht es nicht besser.
Wann wird es Zeit zu kämpfen?
Das Notwehrrecht erlaubt es dir, dich gegen einen unmittelbar bevorstehenden oder bereits im Gange befindlichen Angriff mit den notwendigen Mitteln zu wehren, bis dieser beendet ist. Du musst also nicht auf den ersten Angriff warten, sondern darfst ihm zuvorkommen. Das ist in diesem Fall, wenn du die Situation richtig beurteilt hast, auch die sinnvollste Option.
Wie mein Lehrer Bernd Schubert sagt:
„Es heißt Schlägerei und nicht Abwehrerei.“
Das bedeutet, du musst angreifen, aktiv gegen deine Angreifer vorgehen.
Der alleinige Versuch Treffer zu vermeiden wird jedenfalls scheitern. Aggression ist hier angesagt. Du hast im Idealfall geschafft, die Situation richtig einzuschätzen, hast einen möglichen Fluchtweg entdeckt? Mache dir den Weg frei.
Tue, was nötig ist und in deiner Macht steht, um den Fluchtweg zu nehmen. Steht ein Aggressor im Weg, musst du ihn von dort entfernen. Vielleicht reicht ein entschlossenes Rempeln, vielleicht musst du ihn niederschlagen.
Steht dir kein Fluchtweg offen, sorge für Rückendeckung, wenn möglich. Du musst unbedingt vermeiden, dass ein Angriff von hinten erfolgt. Mit dem Rücken zur Wand zu stehen ist immer noch besser, als von einer Gruppe umzingelt zu werden.
Hast du einen Anführer in der Gruppe ausgemacht? Wenn du es schaffst, ihn auszuschalten, steigen deine Chancen. Die anderen Angreifer verspüren dann möglicherweise weniger Motivation, dem Beispiel ihres Chefs zu folgen. Möglicherweise! Da viele Angreifer ein leichtes Spiel suchen und das tun sie, indem sie in Überzahl angreifen, sind sie sehr oft nicht motiviert bis zum letzten zu kämpfen. Im Unterschied zu dir, der keine Wahl hat und für den es jetzt um alles geht. Das ist dein Vorteil.
Treten die Aggressoren nicht den Rückzug an, musst du versuchen sie einzeln auszuschalten. Dazu solltest du nur Schläge nutzen und hoffentlich hart genug zuschlagen können. Zu treten ist keine gute Idee, da du, wenn du auf einem Bein stehst, nicht mehr mobil bist und dein Gleichgewicht sehr leicht angreifbar ist. Solltest du in einem solchen Szenario zu Boden gehen, bist du der Gnade der Angreifer ausgeliefert. Sehr wahrscheinlich folgen dann Tritte zum Kopf. Dann besteht absolute Lebensgefahr.
Training, Tipps und Strategie im Kampf gegen mehrere Angreifer
Neben deinem Kampfkunst-, Kampfsport- oder Selbstverteidigungstraining solltest du folgendes trainieren.
- Beinarbeit und Positionierung: Du übst mit mehreren Trainingspartnern, die dich in der Gruppe angreifen. Sie tun das erstmal, ohne zu schlagen und mit verringerter Geschwindigkeit. Deine Aufgabe ist es, ihnen aus dem Weg zu gehen und dich nicht einkreisen zu lassen. Im Idealfall schaffst du es immer nur einen Gegner vor dir zu haben und die Angreifer aufzureihen. So musst du dich nur mit einem Gegner beschäftigen, während die anderen sich gegenseitig im Weg stehen. Diese Strategie wurde schon im Buch der fünf Ringe von Miyamoto Musashi beschrieben. Im Krav Maga ist er unter Zombie Drill bekannt.
- Benutze einen der Angreifer als Schild: Während du ihn bearbeitest, bringst du ihn zwischen dich und die verbleibenden Angreifer. Du kannst ihn auch aktiv in die anderen Personen schubsen, um sie in ihren Aktionen zu stören und Raum zu schaffen.
- Trainiere, die Distanz richtig einzuschätzen: Du darfst niemanden in dieser Situation ungestraft in die Schlagdistanz lassen. Das gilt auch und besonders für das Vorgespräch, die oben beschriebene Interview Situation.
- Treten und das Ringen sind zu vermeiden: Tritte beeinträchtigen dein Gleichgewicht und deine Mobilität. In dieser Situation ist das viel zu riskant. Der Versuch, mit einem Gegner zu ringen wird scheitern, selbst wenn du Hochleistungssportler in dem Bereich bist. Du kannst dich dann gegen Schläge und Tritte nicht mehr schützen und wirst bei mehreren Gegnern ganz schnell am Boden landen.
- Übe hart und effektiv zu schlagen. Das Ziel muss sein, deine Angreifer an weiteren Angriffen zu hindern, sonst probieren sie es immer wieder.
- Versuche dir einen Fluchtweg zu öffnen.
- Nutze Gegenstände als improvisierte Waffen. Eine hervorragende legale „Waffe“ ist der Kubotan. Du kannst aber auch ein Handy, Schlüssel oder Kugelschreiber verwenden. (Mehr über den Kubotan.)
Lehren aus einem Versuch
Darek zeigt hier aus seiner Sicht, der eines Boxsportlers, wie eine Schlägerei gegen mehrere aussehen könnte. Waffen sind hier keine im Spiel. Diese würden das Kräftegleichgewicht noch weiter verschieben.
Ab ca. Minute 18 wird es richtig lustig. Respekt, dass Darek sich das getraut hat. Es ist aber ein Sparring gegen mehrere Boxer im Boxen. Es ist wichtig, das zu verstehen. Im Ernstfall wird das ganz sicher nicht so aussehen. Es wird gegriffen, gerungen und geschlagen werden. Boxen ist auch nicht die optimale Methode, um in einer solchen Situation bestehen zu können. Boxen ist aber unbestritten ein Kampfsport mit hohem Wert für die Selbstverteidigung.
Fazit – Selbstverteidigung gegen mehrere Angreifer
Vermeidet Ärger im Vorfeld, wenn es nur irgendwie möglich ist. Die Chancen im Ernstfall gegen mehrere Angreifer bestehen zu können sind vorhanden, stehen aber schlecht. Wer das in der Realität, oder annäherungsweise im Training erlebt hat, wird alles daran setzen, nie in eine derart gefährliche Situation zu kommen.
Das ist so naheliegend und offensichtlich es ist, die beste Lösung. Es macht aber einen großen Unterschied es zu „wissen“ oder auch wirklich verstanden zu haben!
Viel Spaß beim Training!
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